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Die Glorreiche Revolution: dann wäre das Problem ja gelöst

Die Glorreiche Revolution

Revolutionen können ja vieles sein. Blutig oder friedlich, nötig oder unnötig. Was eine bestimmte Revolution dann genau ist, hängt natürlich immer von der Sichtweise ab. Heute möchte ich aber über eine ganz andere Revolution sprechen: die Glorreiche Revolution Englands im Jahr 1688. Und auch wenn man den Briten ja gerne unterstellt, so ziemlich alles gleich als glorreich, legendär und gar mythisch hinzustellen, hat dieses Wort hier schon seine Berechtigung. Die Glorious Revolution, wie man sie im Englischen kennt (oder auch schlicht die Englische Revolution) war eine wirklich glorreiche. Naja, zumindest wenn man davon absieht, dass man einen Holländer einladen musste, um im eigenen Land für Ordnung zu sorgen. Die heutigen Brexit Anhänger müssten sich eigentlich grün und blau ärgern.

Das englische Problem mit dem Katholizismus

Wie so vieles in der englischen Geschichte, hat die Glorreiche Revolution mit Religion zu tun. Das Thema Religion und Religionsausübung ist ja einer der faszinierendsten Widersprüche in dem Land. Einem Land, in dem heute gefühlt jede zweite Kirche in einen Nachtclub, Supermarkt oder Sikh-Tempel umgebaut wurde. Denn was England heute ist, hat seine Wurzeln zu großen Teilen in den Glaubensstreitigkeiten früherer Zeiten. Die Periode, in der diese Streitigkeiten wohl am intensivsten ausgetragen wurden, war das 17. Jahrhundert.

Die Ereignisse, die 1688 die Glorreiche Revolution bedingen sollten, haben ihren Ausgang dabei gute 150 Jahre früher. Da überwarf sich Heinrich VIII. ja berühmtermaßen mit der katholischen Kirche und brachte England auf den Weg zum Protestantismus. Wirklich beabsichtigt dürfte das von seiner Seite natürlich nicht gewesen sein. Heinrich sah sich ja sein ganzes Leben als Katholik, nur hatte er halt ein paar Probleme mit den Frauen. Unverständlicherweise für Heinrich fand der Papst es nämlich nicht so toll, wenn sich Könige von ihren Frauen scheiden oder diese köpfen ließen. Der Vatikan war eben schon immer ein Spielverderber.

Was in ganz Europa im 16. Jahrhundert begann, eskalierte im folgenden Jahrhundert dann aber endgültig. Da drehten die Fanatiker auf allen Seiten vollkommen durch. Am Kontinent selbst erlebten wir da bekanntermaßen den Dreißigjährigen Krieg, den vernichtendsten militärischen Konflikt aller Zeiten. Aber in solch eine dumme und unnötige Auseinandersetzung ließ sich ein stolzer Inselstaat wie England natürlich nicht hineinziehen! Von Blut getränkte Schlachtfelder mit sich türmenden Toten in den Tausenden soweit das Auge reicht. Nein! Dafür braucht England Europa sicher nicht. Das bewerkstelligen die wunderbar alleine!

Glorious Revolution… nur glorious im Vergleich zu was?

Englischer König war zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges Karl I. Stuart. Der war wie die allermeisten Könige seit Heinrich VIII. ein Protestant, zumindest auf dem Papier. Und das musste man in England auch sein! Die Bevölkerung und – noch wichtiger – der Adel – war zu großen Teilen protestantisch oder sogar radikal-protestantisch eingestellt. Vor allem die Puritaner, eine besonders strenge Gattung des Protestantismus, erlebten damals rapiden Zuspruch. Viele von ihnen wanderten später sogar in die amerikanischen Kolonien aus, weil ihnen das Leben in England zu lasterhaft war. Das protestantische Leben Englands im frühen 17. Jahrhundert! Na, sie hatten schon recht. Nur einmal am Tag in die Kirche gehen ist auch wirklich gar ketzerisch…

Das Problem bei alledem: König Karl nahm die Sache mit dem Protestantismus selbst nicht so ernst. Das sorgte für eine anhaltende Spannung, die im Jahr 1642 eskalierte. Da bat Karl das Parlament um mehr Geld für die Bekämpfung eines irischen Aufstands. Die wollten im Gegenzug aber die Kontrolle über die entsandte Armee haben. Karl versuchte als Reaktion, einige Abgeordnete kurzerhand festnehmen zu lassen, womit er das Fass endgültig zum Überlaufen brachte. Die Bevölkerung stellte sich hinter die Abgeordneten, das Parlament stellte fix eine Armee auf und der Englische Bürgerkrieg konnte seinen Lauf nehmen. Über die nächsten knapp sieben Jahre massakrierten sich die Parlaments- und Königstruppen dann gegenseitig, bis die Parlamentsarmee unter Oliver Cromwell siegreich aus dem Krieg hervorging. Karl wurde hingerichtet und England zur Republik. Das klingt jetzt zwar alles ganz gut, aber Republik bedeutete in dem Kontext eher eine diktatorische Herrschaft Oliver Cromwells, als alles, was ihr euch jetzt vorstellt. Wie wunderbar diese Zeit für die Bevölkerung war, ist im kollektiven Gedächtnis noch heute tief verankert. Fragt doch mal einen Iren, was er dazu zu sagen hat!

Ach, so schlimm sind die Stuarts doch nicht

Nach guten (bzw. eher schlechten) zehn Jahren war der Spuk Cromwells dann auch schon wieder vorbei. Das englische Experiment mit der Republik war gescheitert. Es ist ja nicht ohne Grund, dass das Land heute entgegen jeder menschlichen Logik immer noch eine Monarchie ist! Nachdem der Diktator Oliver Cromwell nämlich 1658 gestorben war und sein Sohn das ihm übertragene Amt schneller wieder abgegeben hatte, als Theresa May drei Mal „strong and stable“ sagen kann, holte man Karls Sohn Karl II. schon wieder ins Land zurück. So schlimm war die Herrschaft der Stuart-Könige dann auch wieder nicht, dachte man sich. Die Leute lernen eben nie.

Leider hielt der Frieden mit den Stuarts aber auch diesmal nicht lange. Im Jahr 1685 starb König Karl nämlich und sein Bruder Jakob II. übernahm die Herrschaft. Und das war nun ein echtes Problem, denn Jakob war bekennender Katholik! Also nicht wie sein Bruder und Vater, die ja zumindest nur heimlich Katholiken waren oder erst am Sterbebett konvertierten, das war ja zumindest höflich! Jakob war ganz offen papsttreu! Die protestantischen Adeligen waren jedenfalls alarmiert. Aber zumindest hatten sie einen letzten Trost: Jakob war schon über 50 Jahre alt und hatte nur zwei Töchter, die noch dazu beide tief protestantisch waren. „Dann lassen wir den alten Sack halt mal machen, so lange kann es ja nicht dauern“, dachten sie sich also.

Leider hatten die englischen Adeligen aber wirklich nur Pech. Drei Jahre nach seiner Thronbesteigung wurde Jakob nämlich plötzlich nochmal Vater – noch dazu eines Sohnes! Seine eher drolligen Versuche, die Rolle der Katholiken in England zu stärken, waren also plötzlich bitterer Ernst. Da hatten einige Barone eine zündende Idee: Laden wir doch einfach einen Holländer ein, in England einzumarschieren! Der Plan „Glorreiche Revolution“ war geboren!

Eigentlich eine reichlich wenig glorreiche Revolution

Man schrieb also dem netten Statthalter der Niederlande, Wilhelm von Oranien, einen Brief und fragte ganz ungezwungen nach, ob er im Herbst schon etwas vorhatte. Die Entscheidung dafür, ihn mit seiner gesamten Armee nach England einzuladen, hatte dabei mehrere Gründe. Einerseits – und ganz wichtig – war Wilhelm im Gegensatz zu Jakob natürlich Protestant. Andererseits war er aber auch Jakobs Schwiegersohn, was dynastisch gesehen nun nicht ganz unbedeutend war. Das trifft sich doch blendend! Muss sich der Adel gedacht haben und schritt zur Tat mit dem Ziel, ihren katholischen König endlich zu demontieren.

Im November 1688 landete Wilhelm dann auch schon mit einer stattlichen Armee in England und begann, in Richtung London zu ziehen. Jetzt sollte sich für Jakob herausstellen, dass er wohl wirklich aufs falsche Pferd gesetzt hatte. Der größte Teil der Bevölkerung war den pro-katholischen Allüren ihres Königs gegenüber nämlich einigermaßen negativ eingestellt. Obendrein war Jakob auch persönlich nicht sonderlich beliebt. Wilhelm dagegen war ein ansehnlicher und höflicher Mann, kam beim Volk ausgesprochen gut an und verkörperte die Ideale der Aufklärung, die ja gerade sehr en vogue war, um einiges besser. Wie ich die Niederländer kenne, sprach er wahrscheinlich auch damals schon besser Englisch als die meisten Engländer, was sicher nicht schadete. Nachdem dann auch weite Teile des Adels zu Wilhelm übergelaufen waren, warf Jakob II. schnell das Handtuch. In einer heldenhaften Aktion stahl er sich aus seinem Zimmer und floh in tiefster Nacht nach Frankreich. Wilhelm und seine Frau Maria, die Tochter Jakobs II., wurden schon im nächsten Frühling gleichberechtigt zu König und Königin Englands gekrönt.

Eine äußerst englische Revolution

Die Glorreiche Revolution ging also – zumindest vorerst – vollkommen kampflos vonstatten. Ist ja eine reichlich langweilige Revolution, könnte man jetzt sagen. Wie qualifiziert sie sich denn dann überhaupt als solche? Nun ja, das hat mehr mit ihren Folgen als dem Ereignis selbst zu tun. Mit der Vertreibung Jakobs und Krönung Wilhelms begann in England nämlich eine vollkommen neue Zeit. Der König war nun nicht mehr dem Parlament übergestellt, er musste mit dem Parlament regieren. Dieser Status als „King in Parliament“ blieb der britischen Monarchie bis heute erhalten.

Zwölf Jahre nach der Glorious Revolution „löste“ England sein Religionsproblem dann endgültig. Mit dem Act of Settlement wurde Katholiken im Jahr 1701 schlichtweg verboten, König von England zu werden. Sogar einen Katholiken zu heiraten, schloss ein Mitglied der königlichen Familie bis vor kurzem noch vom Erbrecht aus! Damit war das Problem also ein für alle Mal gelöst! Super, toll gemacht, liebe Engländer. Aber naja, fragt vielleicht doch lieber nochmal den Iren von vorhin, was er darüber denkt.

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15 Gedanken zu „Die Glorreiche Revolution: dann wäre das Problem ja gelöst“

  1. absolut klasse geschrieben—-wenn ein schulbuch in diesem stil geschrieben würde….es würden sich viel mehr jugendliche für geschichte interessieren–habe es mit vergnügen gelesen und wissen gespeichert—danke sehr

  2. „In einer heldenhaften Aktion stahl er sich aus seinem Zimmer und floh….“ hahahaha!!

    Super verfasst dieser Text! Vielen Dank, hat echt geholfen. Da stimme ich allen zu, Geschichte ist auf diese hurmorvolle Art geschrieben viel interessanter zu lesen.

  3. Gleich zu Beginn erinnerte mich der Text an »1066 And All That«.

    Übrigens war das vor 40 Jahren Schullektüre.

    Für mich ein prägendes Buch.

    Schade, dass man Ähnliches für die deutsche Geschichte nicht schreiben kann.

  4. Wirklich toll geschrieben. Ich kann mich meinen Vorgängern nur anschließen – Schulbücher in diesem Stil würden das Interesse der Schüler deutlich anheben, im Gegensatz zu den verstaubten Schriften, die den Schulen zur Verfügung stehen!

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