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Das Matriarchat. Eine kurze Geschichte

Die Welt von heute ist geprägt durch das Patriarchat. Männer dominieren so gut wie alle menschlichen Gesellschaften und der Wandel zu mehr geschlechtlicher Gleichberechtigung findet auch in Deutschland und Europa immer noch zu langsam statt. Dabei stellt sich aber doch die Frage: Wie war das denn in der Geschichte? Gibt es auch historische Beispiele für den Gegenentwurf des Patriarchats, für ein Matriarchat? Und falls ja: Wann und wo gab es ein solches Matriarchat denn? Und überhaupt: Was bedeutet Matriarchat? Das sind eine ganze Menge komplexer Fragen, die uns weit in die Geschichte zurückführen, zumindest bis zur Sesshaftwerdung des Menschen. Tauchen wir also ein!

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Gleich zu Beginn der Episode kommt der erste große Downer für alle Anhänger*innen des Feminismus wie mir selbst: Ein echtes Beispiel für ein Matriarchat findet sich in der Geschichte nämlich nicht. Denn nein: Die angeblichen Amazonen genügen nicht! Das soll aber nicht heißen, dass Geschlechterrollen immer schon gleich wie heute gewesen sind – ganz im Gegenteil. Schauen wir uns also gemeinsam an, wie die Aufgabenverteilung in Jäger*innen- und Sammler*innengesellschaften mal ausgesehen hat (die Gendersternchen dürften dir hier schon einen Hinweis geben) und was sich mit der Sesshaftwerdung in der neolithischen Revolution vor etwa 12.000 Jahren geändert hat. Kurz: Wie kamen wir dorthin, wo wir heute sind, und warum gab es wohl nie ein echtes Matriarchat?

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8 Gedanken zu „Das Matriarchat. Eine kurze Geschichte“

  1. Hmm, würde da gerne sinngemäß Lois McMaster Bujold zitieren: Die Männer treffen die wichtigen Entscheidungen über Krieg und Frieden … aber wir (die Frauen im Zusammenhang) entscheiden welche Gene sich wie fortpflanzen …
    Da wäre beispielweise das Osmanische Reich in dem 400 Jahre der Harem die eigentliche politische Macht war …
    Und damit wären wir bei der heutigen westlichen Gesellschaft:
    Frauen können nahezu beliebig Klamotten tragen, während Männer da – noch immer deutlicheren Restriktionen unterliegen.
    Frauen stellen mit 30 fest, das es zum CEO wohl nicht reichen wird und werden Mutter … und schicken Ihren Mann weiter zum Kohle ran schaffen … Auch heute idR ohne echte Diskussion wenn man nicht Lehrer / Beamter – oder Grüner ist. Was natürlich zu einem Ungleichgewicht bei der Karriere führt: Den in den 30ern wird man Führungskraft oder eben nicht. Danach eher unwahrscheinlich. Und in diesen Jahren sind Frauen eben oft nicht präsent.
    In meinem Bekanntenkreis sind die meisten Frauen „die dabei geblieben sind“ durchaus im gleichen Umfang Team- oder AbteilungsleiterInnen geworden wie Männer. Aber da es eben per se weniger waren, die den Weg gegangen sind …

    1. Ich halte diese Argumentation für zu kurz gesprungen. Nicht nur bezweifle ich, dass das Osmanische Reich aus dem Harem regiert wurde, es werden halt auch nicht-beinahe-CEO-Frauen Mütter. Und Männer arbeiten, glaube ich, auch ganz gerne ohne, dass eine Frau sie „zum Kohle ran schaffen schickt“.

      Aber wenn man von drt auf den Partnerschaftsmarkt überleitet, kommt man der Sache näher, denke ich. Denn tatsächlich werden Männer mit Beruf, Karriere und Geld attraktiver, auch für Frauen, die ohne Beruf, Karriere und Geld diejenigen Männer keines Blickes würdigen würden. Männer sind genauso oberflcählich, vielleicht noch mehr, aber gehen mehr aufs Aussehen. (Natürlich pauschalisiert und vereinfacht, aber macht einfach mal als Mann zwei Tinder-Profile mit den gleichen Fotos, und eines davon als Rechtanwalt, das andere als Busfahrer, dann werdet Ihr es sehen.)
      Wenn man/frau seine Chancen auf dem Partnerschaftsmarkt erhöhen will, haben Männer und Frauen also unterschiedliche Anreize.

      Das ist natürlich nicht die (nur) Ursache für den Gender-Pay-Gap, sondern auch ein Effekt davon, was es enorm schwierig macht, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
      Außer mit krassen Ideen:
      – Eltern die Kinder wegnehmen und im Heim großziehen, so dass Eltern (in der Realität meist Mütter) weiterhin berufstätig sein können. Ich glaube, Sokrates oder so hat das mal vorgeschlagen.
      – Jeder bekommt das gleiche Einkommen, unabhängig vom Beruf. Deswegen sagen viele Frauen, dass ihre Position im Sozialismus besser war. (Siehe das Buch „Why Women have better Sex under Socialism“ von Kristen Ghodsee.)

  2. Lieber Ralf,

    vielen Dank für die spannende Abhandlung zum Thema Matriarchat, die ich sehr anregend fand, die mich aber sofort zum Ergänzen anregte.
    Ich weiß selbst, dass man selten alles erfassen und ausführlich besprechen kann, dennoch erschien mir die Darstellung zu sehr auf die europäische Wissenschaftsgeschichte zentriert. Die Hinweise bitte nicht übel nehmen, ich bin unglaublich dankbar für Deine unermüdliche Vermittlungsarbeit, u. a. was Nationalmythen angeht.
    Beim Hören des Podcast fiel mir, ohne dass ich recherchieren musste oder in diesem Feld Expertise hätte, sofort mindestens eine stark matrilinear geprägte Gemeinschaft ein, die man – m. E. mit Recht – als Matriarchat bezeichnen könnte: jene der Irokesen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Irokesen; besser: https://en.wikipedia.org/wiki/Iroquois)
    Die fünf bis sechs Stämme zerfielen in Clans, diese wiederum in Langhäuser, in denen mehrere Familien lebten. Sowohl den Clan wie auch die Langhäuser und Familien leiteten Frauen. Den Clanmüttern war ein – von einem Rat aus Frauen bestimmter – (Kriegs-)Häuptling zur Seite gestellt. Im Frieden waren zwei Clanmüttern für die Aufgabenverteilung u. a. bei der Feldarbeit verantwortlich. Zudem hatten Frauen bei allen zentralen Entscheidungen im Stamm das letzte Wort und die Entscheidungsgewalt. Sie bestimmten u. a. auch bei der Frage, ob der Clan einen Beutezug bzw. Krieg begann und wer daran teilnahm. Das würde ich jetzt schon als ‚Frauenherrschaft‘ bezeichnen, wenn man denn unbedingt nach einem Abbild heutiger Strukturen suchen muss.
    Wie in matrilinearen Gesellschaften üblich zogen die Männer nach einer eheähnlichen Verbindung zur Familie der Frau und gehörten fortan deren Langhaus und Clan an. Die Frau konnte sich vom Mann trennen. Dieser hatte dann Langhaus und Clan wieder zu verlassen. Man kann das als unbedeutend abtun, ist es aber m. E. nicht: Im Zweifel hatte der Neuankömmling die gesamte Sippe gegen sich, samt der Leiterin des Langhauses – einer Frau.
    Die Hauptaufgaben der Männer im Stamm waren, neben dem Roden der Felder, der Bau der Langhäuser, das Fischen und Jagen sowie vor allem der Krieg bzw. die Beutezüge. Die Frauen waren für das Sammeln in den Wäldern, die Feldarbeit (Bohnen, Mais, Kürbisse) sowie (nach Eintreffen der Europäer) für die Pferdezucht zuständig. Dies war auch dadurch bedingt, dass die Männergruppen für Jagd- und Kriegszüge die Siedlungen länger verließen.
    Leider erfahren wird von der Gesellschaftsstruktur der Irokesen oft nur aus den Federn der christlichen Missionare. Die sehr aktiven Jesuiten sahen (auch im Unverständnis der Geschlechterverhältnisse) in den Irokesen kulturlose Barbaren ohne Gesellschaftsordnung. Es muss nicht verwundern, dass die Christianisierung das Ende der matrilinearen Gesellschaftsstruktur der Irokesen bedeutete.
    Allein dieses Ende sollte uns zu denken geben, wenn wir allein auf Schriftquellen schauend, nach Matriarchaten suchen. Friedrich Engels kannte aus der sekundären Überlieferung eine idealisierte Version der irokesischen Gesellschaftsstruktur und leitete daraus seine Überlegungen ab.

    Ich bin mir relativ sicher, dass man beim Durchstöbern von Völkerkundlichen Museen – solange es sie noch gibt – auf weitere derartige Beispiele stoßen würde. Entsprechende Hinweise sind zumindest vorhanden.
    Neben den Hopi, bei denen die Geschlechter gleichberechtigt gewesen zu sein scheinen (https://en.wikipedia.org/wiki/Hopi), findet man Hinweise auf ältere matriarchische oder zumindest gleichberechtigte Geschlechterverhältnisse u. a. in Vietnam, wo Frauen – ausweislich vietnamesischer und chinesischer Quellen – Armeen z. T. mit weiblichen Offizieren gegen die chinesischen Eroberer führten (https://en.wikipedia.org/wiki/Tr%C6%B0ng_sisters).
    Im alten Vietnam wird demnach zumindest eine Gleichberechtigung geherrscht haben, wie sie auch aus dem vorklassischen und klassischen Ägypten bekannt ist: Rechtliche Gleichstellung, Vorrang in der Familie und Besetzung wichtiger Positionen in Verwaltung und Religionspflege (https://de.wikipedia.org/wiki/Stellung_der_Frau_im_Alten_%C3%84gypten). In Ägypten ist zudem auffällig, dass das Vorhandensein von zahlreichen weiblichen Gottheiten, auf eine hohe gesellschaftliche Stellung von Frauen (Hohepriesterinnen, Pharoninnen) hinweist.

    Weiterhin habe ich folgende Hinweise vermisst:
    Die Benennung vieler altbiblischer Städte mit weiblichen Formen stützt die Annahme der Bibleforschung über die Existenz von vorantiken, matriarchalischen Stadtgeselllschaften. Auch würde ich die Belege aus den Religionslegenden nicht beiseite wischen. Das Beispiel Ägypten weist auf ein Abbildverhältnis hin, dass sich damit auf vormals reale Geschlechterrollen bezogen hat.

    Wenn wir noch weiter zurückgehen, sind wir – wie Du auch erwähnt hast – auf Interpretationen von archäologischen Funden angewiesen. Wie sehr diese vom Gesellschaftsbild der heutigen Archäologen abhängen, haben die jüngsten Forschungen der Regensburger Archäologie ja u. a. bewiesen.
    Auffällig ist zumindest, dass Frauen sowohl in der Steinzeit wie auch der Antike häufig im Kontext von Heiligen Riten, Feuerwahrung, rituellen Tänzen, Überlieferungsverantwortung, Schutzerscheinen etc. erscheinen. Sei es nun eine steinzeitliche Höhle in Frankreich, in der fast ausschließlich Frauen und Jugendliche ihre Handabdrücke und Jagdzeichnungen hinterlassen haben (https://www.scinexx.de/news/geowissen/hoehlenmalerei-handabdruecke-stammten-von-frauen/) oder die weit verbreiteten und schwer interpretierbaren Steinzeit-Venus Figuren, die wohl am ehesten als Fruchtbarkeitssymbol zu deuten sind (https://de.wikipedia.org/wiki/Venusfigurinen).
    Als vermittelnden Hinweis könnte die Beobachtung wichtig sein: Dass die Stellung als Vermittler zu den Göttern (Delphi), Hüterin des Feuers und Priesterin/Ausüberin von sakralen Akten (Vestalinnen) selbst in den nun wirklich nicht matriarichischen antiken Kulturen Roms und Griechenlands beobachten lässt.
    Leider sehr lang geworden, da ich dann doch noch mal nach weiteren Beispielen (Vietnam und Hopi) gesucht habe, hoffe aber damit eine Diskussion anzuregen.

    Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg,

    Thomas Lang.
    Auf Twitter auch als Rechnungsprüfer Friedrich des Weisen unterwegs.

    1. Lieber Thomas,

      danke für deinen ausführlichen Kommentar und all die Ergänzungen! Ohne auf alles eingehen zu können (dazu weiß ich im Zweifel auch einfach nichts): Das Fehlen der Irokesen tut mir im Nachhinein auch leid. Ich habe über die Strukturen in den Gruppen dort in der Recherche gelesen, mich dann aber dagegen entschieden, es noch in die Folge mit aufzunehmen. Es ist aber tatsächlich ein gutes Beispiel für Matrilinearität (und vielleicht mehr).

    1. Wie du sicher verstehst, kann ich Kommentare hier nicht ohne Prüfung veröffentlichen. Dafür gibt es gerade im Geschichtsbereich zu viele, die inakzeptable und menschenverachtende „Meinungen“ von sich geben. Daher kann es auch mal bis zu eine Woche dauern, bis ich dazu komme, Kommentare freizuschalten. Ist jetzt jedenfalls geschehen

  3. Genau und deshalb hat deer Sozialismus ja auch so toll funktioniert. Wenn ich nix tun muß fürs Geld, warum sollte ich dann arbeiten?
    Ach ja: Ich war noch nie auf Tinder oder so: Nicht meiner Generation.

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