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Als der Traum der katalanischen Unabhängigkeit starb

Als Katalonien unabhängig war. Hier zu sehen: Peter I. von Aragon, das später eine Fusion mit Katalonien eingehen würde. Aber das hieß für Katalonien nicht den Untergang, der folgte erst.

Als Katalonien seine Unabhängigkeit verlor … Ohje. Schon ein schwieriger Start für die Geschichte. Worüber spreche ich denn nun genau? Den Spanischen Bürgerkrieg der Dreißigerjahre? Die darauffolgende Diktatur Francos, in der in Spanien keinerlei Rechte für Regionen wie Katalonien existierten? Tatsächlich nein. Um über die katalanische Unabhängigkeit und ihren Verlust zu sprechen, müssen wir in der Geschichte noch deutlich weiter zurückgehen. Mindestens bis in die Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs Anfang des 18. Jahrhunderts – aber eigentlich noch weiter.

Katalonien in der Geschichte

Zuerst muss man feststellen: Eine unabhängige katalanische Staatlichkeit gab es bereits im frühen Mittelalter. Über den Aufstieg der Grafen von Barcelona unter dem wunderbar benannten Wilfried dem Haarigen habe ich auf diesem Blog sogar schon vor drei Jahren geschrieben. Und diese Staatlichkeit ging im weiteren Verlauf des Mittelalters auch nicht mehr verloren. Katalonien blieb als Staat bestehen, wenn es auch bald nur noch selten unter diesem Namen auftrat. Im 12. Jahrhundert folgte nämlich die Union mit dem Königreich Aragon, doch hatte das eigentlich keine großen Auswirkungen auf die Gesellschaft Kataloniens. Barcelona behielt auch im neuen Aragon enormen Einfluss und stieg bald zu einer veritablen Großmacht im Mittelmeerraum auf. Im späten Mittelalter zählen neben dem Kernland auf der Iberischen Halbinsel etwa die Balearen, Sardinien, Sizilien, ganz Süditalien und sogar Teile Griechenlands unter der Kontrolle des Königreichs Aragon und damit auch Kataloniens.

Im Mittelalter und der Union mit Aragon fängt die Krise also nicht an, die 2017 im katalanischen Unabhängigkeits-Referendum ihren vorläufigen Abschluss fand. Werfen wir unseren Blick stattdessen also auf die nächste Union: Die deutlich bekanntere Vereinigung Aragons und Kastiliens im 15. Jahrhundert. Mit der Hochzeit der Könige Ferdinand und Isabella beginnt 1469 nämlich die Geschichte Spaniens, wenn das Land auch noch nicht offiziell so genannt wurde. In der Folgezeit würde der neue Bund zwar bis in die Neue Welt ausgreifen und die Reconquista zu Ende führen, für die Unabhängigkeit Kataloniens hatte aber auch das erstmal keine Folgen. Die Union zwischen Aragon und Kastilien blieb eine reine Personalunion unter dem jeweiligen König. Intern blieben die beiden Staaten getrennt und nicht zuletzt nahm Aragon deshalb nicht an der Kolonialisierung Amerikas teil und konzentrierte sich weiter auf das Mittelmeer. Hier sind die Gründe des Konflikts um Katalonien also auch noch nicht zu finden …

Modernisierung nennt man das also

Wenn wir den endgültigen Ursachen des späteren Katalonienkonflikts auf die Spur kommen wollen, müssen wir uns also noch weitere 200 Jahre bis ins 17. Jahrhundert vorwagen. Und letzten Endes hat diese Entwicklung viel mit der sogenannten „Modernisierung“ Europas im Zuge der beginnenden Aufklärung zu tun. Alle größeren europäischen Staaten versuchten in dieser Zeit, ihre Gebiete zu zentralisieren und straffer durchzuorganisieren. Am erfolgreichsten waren dabei wohl England und Frankreich, doch auch Spanien wollte in der Entwicklung nicht hintanstehen. Gar zu unabhängige Regionen wie eben Katalonien wollten jedenfalls nicht mehr so recht ins Bild passen. Beziehungsweise gab es den ein oder anderen Akteur in Madrid, der das so sah.

Darf ich vorstellen: König Philipp IV und vor allem sein Premierminister Graf von Olivares. Diese beiden machten sich Anfang des 17. Jahrhunderts daran, Spanien in einen „modernen“ Zentralstaat zu verwandeln. Die perfekte Möglichkeit dazu bot ihnen der Französisch-Spanische Krieg ab 1635. In Katalonien wurden nun schlichtweg kastilische Soldaten stationiert – offiziell zur Verteidigung gegen Frankreich. Selbstverständlich … In Barcelona kam es als Resultat jedenfalls bald zu Ausschreitungen gegen die – von vielen so gesehene – Fremdbesatzung. Das höchste Gremium Kataloniens, die Disputació, protestierte und 1640 tötete ein Mob sogar den Vizekönig und Vertreter Madrids in Katalonien! Die Spannungen waren … sagen wir mal … spürbar.

Es sollte letzten Endes aber alles nichts helfen. Obwohl die Disputació gegen Ende des Krieges sogar noch versuchte, sich mit Frankreich zu arrangieren und sich offiziell gegen Madrid zu stellen, scheitert das Unterfangen letztendlich. Frankreich war der neue Verbündete nicht wichtig genug und Spanische Truppe marschieren 1652 in Katalonien ein. Ist es das also? Das Ende des unabhängigen Kataloniens? Nun … Nur zum Teil. Denn auch dieses Mal verspricht Philipp IV., die Unabhängigkeit weiterhin zu respektieren. Doch wir nähern uns. Der nächste Krieg war schon fast am Horizont zu erkennen und der würde nun wirklich alles ändern.

Der Spanische Erbfolgekrieg und die Folgen

Das Ende einer Katalonischen oder Aragonesischen Selbstständigkeit (die beiden Begriffe waren irgendwann so gut wie synonym) kam tatsächlich nur ein halbes Jahrhundert später. Nachdem in Spanien nämlich die regierenden Habsburger ausgestorben waren, kam es von 1700 bis 1713 zum Spanischen Erbfolgekrieg. Sein Name ist dabei aber doch ein wenig irreführend. Um Spanien und seine Erbfolge selbst ging es eigentlich nur am Rande. Stattdessen bekriegten sich in diesem Konflikt, wie es zur traurigen Konstante Europas werden sollte, die Großmächte des Kontinents. Österreich und England wollten einen neuen Habsburger aus der mitteleuropäischen Linie des Hauses durchsetzen. Frankreich hielt mit einem französischen Anjou dagegen. Katalonien warf sich dabei auf die Seite der Engländer und Österreicher.

Das war dann wohl auch der entscheidende Fehler. Am Ende ging Frankreich siegreich aus dem Krieg hervor und konnte den Anjou Philipp V. als Nachfolger in Madrid durchsetzen. Wobei man doch auch dazusagen muss, dass das Wort „siegreich“ abgesehen davon etwas übertrieben ist. Mit Ausnahme der Nachfolgefrage in Spanien hat auch Frankreich wenig Wertvolles in dem Konflikt gewonnen. In Spanien änderte sich nun aber alles. Ein Jahr nach Ende des Krieges besetzte Philipp im Jahr 1714 das noch rebellische Barcelona, nahm es ein und löste infolge alle alten Sonderrechte Kataloniens auf. Dieses Ereignis wiegt bis heute schwer auf der Geschichte Kataloniens und wird als katalanischer Nationalfeiertag am 11. September begangen.

Seit 1714 versuchten Politiker in Katalonien (wie auch in anderen spanischen Regionen, denen es ganz ähnlich erging) also immer und immer wieder, die alten Rechte ihrer Länder wiederherzustellen. In der Zweiten Spanischen Republik der Dreißigerjahre gelang das sogar, zumindest auf dem Papier. Mit Bürgerkrieg und der anschließenden Gewaltherrschaft Francisco Francos war das aber schnell wieder passé. Es würde bis in die Siebzigerjahre und zum Tod Francos dauern, dass Katalonien und andere Regionen wie das Baskenland erneut gewisse Sonderrechte erhalten würden. Aber wie schon gesagt: Ganz vorbei ist der Kampf um die Unabhängigkeit Kataloniens noch immer nicht. Geschichte wird nach wie vor geschrieben.

Das Foto zu diesem Beitrag zeigt Peter I. von Aragon, einem aragonesischen Herrscher kurz vor der Union mit Katalonien. Es stammt aus dem Madrider Museo del Prado.

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