Der Rassismus in den USA ist bekanntlich auch 150 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs, 50 Jahre nach der Ermordung Martin Luther Kings und zwölf Jahre nach Wahl des ersten schwarzen US-Präsidenten alles andere als Geschichte. Die ständigen neuen Fälle weißer Polizeigewalt gegen Schwarze und die sich dagegen formierende Black Lives Matter Bewegung machen das nur zu schmerzhaft deutlich. Oft fällt es mir als weißer Europäer schwer, zu verstehen, wie das auch 2020 noch so ein großes Problem sein kann. Da hilft es, sich die gar nicht so ferne Vergangenheit der USA näher anzuschauen. Oder genauer: Einen Blick auf die berüchtigtste rassistische Vereinigung der Staaten zu werfen, den Ku-Klux-Klan. Denn man mag es nicht glauben. Auch der spielte noch vor wenigen Jahrzehnten eine Rolle und sein Vermächtnis ist noch heute präsent.
Die Südstaaten: Ein schlechter Verlierer
Die Geschichte des Ku-Klux-Klan (oder kurz KKK) geht zwar weit zurück, eine durchgehende Existenz hat er aber eigentlich gar nicht. Vielmehr gab es in den letzten zwei Jahrhunderten ganz unterschiedliche Ku-Klux-Klans. Aber man kann trotzdem klar nachzeichnen, wann dieser irre Verein erstmals das Licht der Welt erblickt hat. Es war in den amerikanischen Südstaaten direkt nach Ende des Bürgerkriegs. Die südliche Konföderation verlor diesen Krieg 1865 bekanntlich und die Gründung des KKK war eine direkte Reaktion darauf – nur neun Monate nach Kriegsende. Da fanden sich einige ehemalige Offiziere in Tennessee zusammen, um einen Geheimbund zu schmieden. Was genau sie damit erreichen wollten, war ihnen wohl selbst noch nicht klar. Es dauerte aber trotzdem nicht lange, bis die ersten Mitglieder damit begannen, in Maskierung auszureiten und der lokalen schwarzen Bevölkerung Angst einzuflößen.
Die Gründe dafür waren sicherlich vielschichtig. Einerseits glaubten die Mitglieder des KKK wohl an den Aberglauben der Schwarzen, die man mit gespenstischen Kostümen in Angst versetzen konnte, andererseits waren die Ausritte auch eine Erinnerung an weiße Bürgerwehren, die schon in Zeiten der Sklaverei die Straßen „patroulliert“ hatten. Letzten Endes waren es aber wohl einfach gelangweilte junge Männer, die nichts Besseres zu tun hatten. Hoffnungslose A****löcher eben. Anfangs war der Ku-Klux-Klan somit eine eher kleine und regionale Angelegenheit ohne einheitliches Ziel. Aber er wuchs schnell und schon 1867 etablierte sich auch eine nationale Führung. Wenig überraschend wurde hierfür ein ehemaliger Südstaaten-General zum ersten „Grand Wizard“ gewählt. Welche Zaubertricks er draufhatte, ist leider nicht überliefert. Offensichtlich konnte er aber super seine Menschlichkeit verschwinden lassen.
Innerhalb der nächsten paar Jahre gewann der KKK auch gewissen politischen Einfluss, wobei dieser für lange Zeit überbewertet wurde. In gewissen Regionen konnte er wohl gewissen Druck ausüben und organisierte auch einige Massaker – vollkommen ungestraft, versteht sich. Im Großen und Ganzen war der Ku-Klux-Klan aber keine einflussreiche Macht und Anfang der 1807er löste er sich auch schon wieder auf. Das hatte allerdings weniger damit zu tun, dass die Leute eingesehen hätten, was für einen Blödsinn sie da anstellten mit ihrem blinden Rassismus, den Kostümen und den „Grand Wizards“, „Dragons“ und Gott weiß was. Nein: Sie hatten schlicht ihre Ziele erreicht. Nach knapp zehn Jahren pro-nördlicher Regierungen im Süden kamen nun nämlich wieder weiße Männer an die Macht. Es konnte im Süden also weitergehen wie zuvor. Die Sklaverei war zwar Vergangenheit. Dafür führten die demokratischen Politiker der Südstaaten im Laufe der nächsten Jahrzehnte eine rigide Rassentrennung ein. Das System ging als „Jim Crow-Laws“ in die Geschichte ein.
Was ein rassistischer Film alles anrichten kann
Die erste Phase des Ku-Klux-Klan war somit ziemlich kurzlebig. Nach seiner Gründung 1865 war er nur etwas über fünf Jahre lang aktiv – in vielen Staaten sogar noch kürzer. Allgemein hatte der KKK von damals auch noch recht wenig mit dem gemein, was wir heute mit dem Klan verbinden. Die Mitglieder trugen zwar auch zu der Zeit schon Kostüme; die klassische weiße Robe mit dem Spitzhut gab es aber noch nicht. Und auch die brennenden Kreuze waren dem Ku-Klux-Klan des 19. Jahrhunderts noch unbekannt. Das würde noch ganze 50 Jahre dauern und hatte – man mag es kaum glauben – vor allem mit einem Film zu tun.
Im Jahr 1915 erschien nämlich „Birth of a Nation“ in den amerikanischen Kinos. Er gilt noch heute als revolutionärer Film, allerdings wegen seiner cinematografischen Fortschritte, nicht wegen der inhaltlichen. In einer Zeit, in der das US-Publikum nur Comedy-Kurzfilme von wenigen Minuten gewohnt war, war das Drama mit seiner Laufzeit von fast drei Stunden ein echter Kassenschlager. Der Film beruhte auf einem Buch namens „The Klansmen“ und behandelte die Zeit vor, während und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Insbesondere gegen Ende des Films nehmen die „Ritter“ des Ku-Klux-Klans eine Heldenrolle ein, als sie einreiten und die Menschheit vor den verbrecherischen Schwarzen beschützen. Solch offener Rassismus war damals leider auch in der Kunst vollkommen normal. Angeblich war „Birth of a Nation“ sogar der erste Film, der offiziell im Weißen Haus gespielt wurde. Auch das sowohl erschreckend wie bezeichnend.
Als Antwort auf den Blockbuster kam es nun jedenfalls zu einem wahren Klan-Hype und kurz nach Release von „Birth of a Nation“ wurde der KKK nahe Atlanta neu gegründet, nun mit all den Merkmalen, die wir heute noch kennen und die direkt aus dem Film stammten: Weiße Kutten, brennende Kreuze … das ganze Theater. Die nächsten zehn Jahre wurden zur Blütezeit des Klans, der sich nun nicht nur gegen die Gleichstellung der schwarzen Bevölkerung stellte, sondern generell gegen alles, was seinem eng gesteckten Ideal des weißen, angelsächsischen Protestanten zuwiderlief. Schwarze, Juden, Katholiken und sogar der Alkoholkonsum (immerhin war dies auch die Zeit der Prohibition) waren allesamtFeinde des neuen Klans und die ersten Lynchmorde ließen auch dieses Mal nicht lange auf sich warten.
Als der Ku-Klux-Klan Amerika regierte
Trotz der horrenden Verbrechen erreichte der Ku-Klux-Klan in den frühen Zwanzigerjahren eine wahrlich gigantische Größe. Wenn man den Zahlen Glauben schenken kann, dürften mehr als 4 Millionen Amerikaner Mitglied in diesem rassistischen Club gewesen sein. Als „Bewahrer der Ordnung“ zogen sie durch immer mehr Orte, Städte und Staaten und übten Eigenjustiz an allem, was nicht in ihr enges Weltbild passte. Die Tentakel des KKK reichten dabei bis weit in die lokalen Polizeieinheiten, Politikerbüros und sogar Mitglieder des US-Senats hinein. Es kam nicht selten vor, dass die Teilnehmer eines Lynchmordes dann später selbst in der Jury saßen, sollte es überhaupt zu einer Anklage gekommen sein. Wie oft diese rassistischen Morde geahndet wurden, kann man sich also vorstellen.
Mit der Größe kam gegen Ende der Zwanzigerjahre dann aber doch auch noch die Kritik. Es wurden immer häufiger Gewaltakte des KKK publik, die sogar unter seinen weißen quasi-Unterstützern nicht mehr mit Wohlwollen hingenommen wurden. Der Rassismus und die Morde an Schwarzen waren freilich noch immer nicht das Problem. Es war wohl einfach das Rowdy-Verhalten der Klanmitglieder, das manchen sauer aufstieß. Obendrein wurden auch immer wieder Finanzskandale aus Reihen des Klans bekannt. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise war der Abstieg des Ku-Klux-Klan dann besiegelt. In den Dreißigern sagten sich obendrein immer wieder lokale Gruppen vom Klan los und schlossen sich mit amerikanischen Nazis zusammen, was das Image auch nicht gerade aufbesserte.
Aber das alte weiße Phantom in der dummen Kapuze stirbt leider langsam. Schon in den 1960ern waren die „Ritter“ zurück auf der Bildfläche, wenn auch nun als lokale Gruppen ohne nationale Dachorganisation. Überall im Süden der USA (aber nicht nur dort) stellten sie sich der Bürgerrechtsbewegung entgegen, begingen erneut Morde und Mordversuche – unter anderem an Martin Luther King – und sogar Bombenattentate. Diese wurden zwischenzeitlich sogar so häufig, dass Birmingham, Alabama teils nur noch „Bombingham“ genannt wurde. Und auch heute gibt es den Ku-Klux-Klan noch – er ist aber nur noch eine Facette in der Bewegung der „White Supremicists“. Die Methoden des Ku-Klux-Klans finden nicht zuletzt auch in der Republikanischen Partei noch immer Anwendung! Wenn republikanische Politiker es schwarzen Bürgern mit absurden Regeln schwer machen, ihr Wahlrecht wahrzunehmen, ist das eine verstörende Konstante zu früheren Zeiten. Zu schade eigentlich, dass man die rassistischen Verbrecher von heute nicht mehr an ihren weißen Roben erkennen kann …