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Russland, die Rus und die Wikinger

Russland und Europa haben weder historisch noch aktuell die einfachste Beziehung. In der Schule haben wir zwar alle mal gelernt, dass alles bis zum Ural zu Europa gehört. Trotzdem fühlt es sich nicht so an, als gehörten die Russen und Russinnen so wirklich dazu. Es gibt da einfach ziemlich große Unterschiede. Immerhin regiert in Russland seit gefühlten Ewigkeiten ein oben ohne durch die Gegend reitender, mit Bären kämpfender Judomeister. Sowas würde es bei uns niemals geben. Wir haben hier, in Europa, zivilisierte, anzugtragende und verantwortungsvolle Politiker, die nur unser Bestes im Sinn haben. Oder so. Oh: Und hierzulande kommen auch die wenigsten auf die Idee, einen Angriffskrieg gegen eine unschuldigen Staat anzuzetteln.

Doch auch Russland war einmal anders. Das Land wurde immerhin auch nicht von irgendwelchen wilden Slawen oder noch wilderen asiatischen Steppenvölkern errichtet. Nein, Russland war annodazumal eine Gründung der Wikinger! Und damit steht das Land in Europa nicht gerade alleine da. Da muss es doch irgendwo noch Gemeinsamkeiten geben!

Russland, Europa und die Wikinger

Die Wikinger haben heute ja einen fragwürdigen Ruf. Man verbindet mit ihnen meist Hornhelme, unangemessenen Met-Konsum und einen gewissen Hang zur Gewalt. Keine sonderlich positiven Attribute, würde man denken. Da ist es umso komischer, dass die Wikinger sich extremer Beliebtheit erfreuen. Von Kinderserien wie „Wiki und die starken Männer“ bis hin zu allerlei Metalbands bedienen sich heute viele bei den alten Wikingern und das oft mit einer gewissen Bewunderung. Nicht ohne Grund stehen die ehemaligen Wikingerländer Skandinaviens in der Beliebheitsskala Europas auch weit oben. Für ein anderes ehemaliges Wikingerland, Russland, stimmt das… naja… doch ein bisschen weniger.

Aber Moment mal. Wie kamen die Wikinger denn überhaupt nach Russland? Nun ja, das ist eine recht lustige Geschichte. Die slawischen und finnischen Stämme Russlands, wohl so aus der Gegend um Nowgorod, reisten im 9. Jahrhundert nämlich von sich aus nach Schweden, um sich dort zu unterwerfen! Sie sahen einfach ein, dass sie selbst unfähig waren, sich zu regieren, also fragten sie den dortigen Wikinger-Fürsten Rurik, ob er nicht stattdessen über sie herrschen wollte. Wenn diese offizielle Geschichte euch jetzt etwas suspekt vorkommt, hat das auch seinen Grund. Sie wird so von einem Kiewer Mönch namens Nestor in seiner Chronik erzählt, ganze 250 Jahre später. Und wir haben nicht zuletzt schon im Fall der englischen Legende von Hengist und Horsa gelernt, dass man bei solchen „Berichten“ von Chronisten vielleicht doch etwas aufpassen sollte. Die Chancen stehen nicht so schlecht, dass sich da im 12. Jahrhundert einfach ein einsamer und unglücklicher Mönch etwas wichtig machen wollte.

Und die Geschichte ohne Mythen? Die Waräger

Die Wikinger, oder in dem Fall genau gesagt die schwedischen Waräger, kamen wahrscheinlich auf dem offensichtlichen, traditionellen und langweiligen Weg nach Russland. Also durch Handel, Krieg oder eine Mischung aus beiden. Im russischen Fall war es tatsächlich in erster Linie der Handel, was nun so gar nicht zu unserem Bild der Wikinger passt. Doofe Geschichte. Immer macht sie unseren schönen, einfachen Stereotypen einen Strich durch die Rechnung! Ab dem frühen 9. Jahrhundert dürften die Waräger jedenfalls im heutigen Russland ansässig gewesen sein, zuerst in der Gegend um den Ladogasee östlich des heutigen St. Petersburg, dann etwas weiter südlich in Nowgorod und später bis ans Schwarze Meer.

Diese Version der Geschichte ist nun auch um einiges glaubwürdiger, als die Idee, dass irgendwelche slawisch-finnischen Stämme die Schweden anflehten, doch bitte eine Invasion vorzunehmen. Immerhin waren die verschiedenen Wikingergruppen zu der Zeit schon in halb Europa zu finden. Das Frankenreich, Irland, England… Überall tauchten sie zu der Zeit auf. Eine Einladung benötigten sie nirgends.

Nowgorod und die Kiewer Rus und die Wikinger

Für diese Waräger war es nun nicht vollkommen unlogisch, sich auch nach Osten zu wenden. Auf den großen Flüssen der Region, vor allem Wolga und Dnjepr, kamen sie mit ihren kleinen Booten auch sehr gut voran. Nachdem sie unter Rurik im Norden und in Nowgorod aufgetaucht waren, erreichten sie schon bald das Schwarze Meer und kamen sogar bis nach Konstantinopel. Das muss ein lustiges Bild gewesen sein. So ein Haufen horntragender, bärtiger Wikinger in Felle gekleidet am Istanbuler Gewürzmarkt. Naja, hätte es damals den Gewürzmarkt schon gegeben zumindest. Oder Istanbul. Und hätten die Wikinger auch wirklich Hörner getragen…

Die Waräger reisten nun aber nicht einfach nur durch das Land und trieben Handel, sie machten es sich auch schnell gemütlich. Wie gesagt bildete sich bei Nowgorod schon recht bald eine erste größere Wikingersiedlung heraus, von der aus wohl auch Rurik selbst seine zunehmende Herrschaft über das Land ausübte. Weiter südlich ernannte sich dann schon Ruriks Nachfolger Helgi zum ersten Großfürsten von Kiew. Damit begründete er dann auch den ersten russischen Staat: die Kiewer Rus.

Als kleine Randnotiz: Sogar das Wort „Rus“ in Russland kommt von den Warägern. Es dürfte sich dabei um eine Abwandlung des finnischen „Ruotsi“ handeln, das diese für ihre schwedischen Nachbarn verwendeten. Russland könnte also eigentlich auch mit „Schwedland“ übersetzt werden, Rus und Wikinger sind mehr oder weniger dasselbe. Das hört ein gewisser oben ohne durch die Gegend reitender, mit Bären kämpfender Judomeister aber sicher nicht gerne.

Die Geschichte, wie aus Wikingern die Rus wurden

Die Waräger konnten in der Region des späteren Russland, der Ukraine und Weißrussland also in beeindruckender Zeit eine mehr oder weniger stabile Herrschaft aufbauen, den Staat der Kiewer Rus. Eine allzu nordische Identität behielt dieser Staat aber nicht lange. Rurik und sein Nachfolger Helgi mögen zwar waschechte Wikinger gewesen sein, fast alle Einwohner und Einwohnerinnen ihres Staates waren aber Slawen. Und damals war man ja auch noch nicht so unflexibel wie heute. Helgi fand das alles gar nicht so schlimm und benannte sich etwas später sogar in Oleg um! Ach du schöne Zeit vor dem Nationalismus…

Im späten 10. Jahrhundert trat Olegs Nachfolger Wladimir (tatsächlich, so slawisch waren die Wikinger Rus inzwischen) dann sogar zum orthodoxen Christentum über. Damit haben wir mit der Kiewer Rus nun einen slawisch sprechenden Staat mit orthodoxer Religion. Das könnte uns bekannt vorkommen. Gut, der Übertritt zum Christentum hatte durchaus weniger religiöse als praktische Gründe. Die Herrscher von Byzanz brauchten schlicht Hilfe bei der Niederschlagung eines Aufstands und man bot Wladimir die Schwester des Kaisers zur Frau an. Dafür musste dieser nur ein paar tausend Mann nach Konstantinopel schicken und – wenn es nicht gar zu viel Aufwand war – doch bitte zur christlichen Kirche übertreten. Da wollte Wladimir mal nicht so sein.

Leider hatte die Kiewer Rus, wie auch das Byzantinische Reich selbst, in der Folge kein allzu großes Glück. Im Osten fielen schon seit Jahrhunderten immer wieder asiatische Reiterhorden ein, denen man auch nicht viel entgegensetzen konnte. Obendrein zersplitterte das Reich der Kiewer Rus immer mehr, nachdem es zu zahlreichen Erbteilungen gekommen war. Als dann im 13. Jahrhundert auch noch Dschingis Khan anklopfte, war es für die Kiewer Rus endgültig vorbei und der Staat ging unter. Die Rurikiden (benannt nach dem guten alten Rurik, wie aufmerksame Leser und Leserinnen vielleicht merken) konnten sich in den unterschiedlichen Kleinfürstentümern und mongolischer Kontrolle aber halten und im weit entfernten Moskau wuchs einige Zeit später eine neue Macht heran. Dort stellten die Rurikiden dann noch bis ins Jahr 1598 den Zaren.

Was bleibt von den Wikingern in Russland?

Die Waräger, Wikinger, Kiewer Rus, Rurikiden oder wie auch immer sie sich nennen wollten blieben in Russland also stolze 700 Jahre an der Macht. Das ist eine lange Zeit. So lange, dass die Wikinger in West- und Nordeuropa inzwischen schon wieder fast vergessen waren. Sogar in England, ja auch de-facto eine Wikingergründung, war es zu der Zeit schon lange vorbei mit den Normannen. Da ist es umso merkwürdiger, dass sich Russland immer stärker von Europa wegbewegte, so nebenbei halb Asien eroberte und auch heute nicht mehr wirklich als europäisches Land wahrgenommen werden kann. Manchmal hinterlässt die Geschichte wie es scheint überhaupt keine Spuren. Oder die Mongolen waren einfach wirklich gut darin, die Russen und Russinnen abzuschotten von der Welt. Vielleicht sollte ich mir das mit dem Geschichtepodcast nochmal überlegen…

Einige stolze Wikingertraditionen führt Russland aber bis zum heutigen Tag fort. Zum Beispiel fällt man dort immer noch gern über Nacht in Nachbarländern ein, um ein bisschen zu plündern. Menschen in Georgien und nicht zuletzt der Ukraine können da Geschichten erzählen, die denen der Wikingeropfer von vor 1000 Jahren gar nicht so unähnlich sind. Ach ja, und so wie die Wikinger sich mit massig Met aufputschten, bevor sie in die Schlacht zogen, machen das russische Profisportler auch heute noch genauso. Deshalb nahm Russland 2018 ja auch nicht an den olympischen Winterspielen teil. Puh, gerade noch gerettet. Die Geschichte hinterlässt ja doch Spuren und ich muss meinen Podcast nicht einstellen. Schön.

20 Gedanken zu „Russland, die Rus und die Wikinger“

  1. hmm, die Darstellung von Rußlands Verhältnis mit Georgien und der Ukraine erscheint mir etwas zu simplifziert, die Sache ist doch ein wenig komplexer …

  2. Wenn man nicht wirklich den Hintergrund zum Ukraine und Georgien Konflikt kennt und nicht die Wahrheit weiß, würde ich nicht so abkacken.. Und das mit der Olympiade finde ich auch total mies.. Was ein böser Mensch 🙄.. Aber danke für den tollen Bericht.. Für einen, der wie es scheint, Russland nicht sonderlich leiden kann, scheinst dich damit aber ordentlich zu beschäftigen 🙂
    Grüße von einer Russin😂

    1. Och das ist aber lieb von dir 🙂 aber es ist ja nicht so, dass ich in Russland nicht leiden kann oder gar Menschen aus Russland. Ich finde nur einige Elemente im Land schwerst bedenklich. Dazu zählt halt die Politik zu so ziemlich jeder Periode der Geschichte 😉

    2. Deine Wahrheit ist die von putin. Es gibt aber nur eine Wahrheit und das ist nicht deine. Und das Russen nicht mehr beliebt sind, ist putins Schuld u Leuten wie du die nur an diese Wahrheit glauben

      Das schreibt ein Europäer der mit einer Russin verheiratet ist, die sich vor Jahren schon von putin abgewendet hat… weil sie schlau genug ist

  3. Man merkt dass du leicht zu beeinflussen bist…du vertrittst eine leicht russophobe Art, so wie es immer in den deutschen Medien propagandiert wird.stattdessen solltest du den russen dankbar sein,dass sie deine Vorfahren vor sich selbst gerettet haben 1945.da wart ihr ja so nett und lieb zu allen Völkern.gar nicht mal so lang her nicht wahr?und hör mir mal auf mit diesen Wikingergeschichten:)russlands Staatschef kümmert sich um sein Volk, davon kann sich merkel eine Scheibe abschneiden.

  4. Hey Ralf,
    deine Abhandlung hat mich neugierig gemacht, aber mein doch recht kritischer Verstand hat mich dazu bewegt auch andere Quellen anzuzapfen, um deine Angaben zu überprüfen. Nicht übel und im Großen und Ganzen stimmt was du da erzählst. Bis auf die Aussage, dass die Russen bis heute gerne Ihre Nachbarn überfallen… Ohhh… Schwierig…. Wenn du dich mit all den Kriegen, die die Russen je geführt haben, beschäftigst, wirst du fest stellen, dass es hauptsächlich – mit einigen wenigen weit zurück liegenden Ausnahmen – fast alle Verteidigungskriege waren.
    Und von der Stellungnahme zu den Konflikten in Georgien und Ukraine würde ich an deiner Stelle Abstand nehmen – der Stoff ist kompliziert und die Georgier und Ukrainer sind an diesen Konflikten mehr Schuld, als es unsere – leider immer noch ziemlich russlandfeindliche – Presse darzustellen versucht. Keine Ahnung zu haben, aber ein Urteil abgeben… schadet der Glaubwürdigkeit!

    1. Ich gebe zu, die Aussage war weniger rein faktisch sondern etwas polemisch von mir. Die Diskussion der „Kriegsschuld“ sparen wir uns an der Stelle lieber, denke ich.

    2. Dito. Das würde ich direkt zu dir schicken. Unglaublich was du da textest. Es ist viel einfacher als du glaubst. Putin ist der Aggressor u die Welt leidet darunter

    3. Oje, eigentlich ist gerade die Sache mit Georgien ziemlich einfach.
      Gerade wenn man da noch weiter in der Geschichte zurück geht.
      Georgien hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach auf Russland verlassen. Zum Beispiel als sie von den Mongolen überfallen wurden. Trotz bestehender Verträge hat die georgische Armee vergebens auf Hilfe aus Russland gewartet. Als die Mongolen dann weg waren, kam Russland dann, um Georgien weiter Probleme zu bereiten.
      Unter russischer Führung, während der Soviet-Era, wurden etliche georgische Künstler, Musiker, Autoren und Wissenschaftler exekutiert, um die Bevölkerung dumm zu halten. Was dann 2008 passiert ist, ist auch von russischer Seite aus gegangen.
      Also so historisch gesehen kommt Russland bei der ganzen Sache nicht so gut weg.
      Und ich glaube eher meiner georgischen Frau, als jemanden, der die Lügen eines Staatsoberhaupt, welches gerne imperialistische Angriffskriege führt, glaubt.

  5. 700 Jahre haben Wikinger in Russland regiert? Wie den wenn es sich um, wie du schon gesagt hast, nur einige Wikinger handelte und alle anderen slawisch waren. Ich würde 100 Jahre sagen und da wars das schon! Russland ist ein slawischer Staat und all das was es bekommen hat mit der Geschichte, ist bestimmt keine germanischer Meisterwerk mein guter! Die Waräger haben nicht für Ordnung gesorgt, stattdessen die Slawen versklavt. Liegt anscheinend an der germanischer DNA..erst die Wikinger, dann Kreuzritterorden und später Hit-ler xD .

  6. Am Schreiber ,sie scheinen nicht über die erste Klasse in der Schule hinaus gekommen zu sein. Was für ein Bulshit hier zum besten geben ist nicht einmal Kindergarten tauglisch !

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