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Der Spanisch-Amerikanische Krieg: Wie die USA zur Großmacht und ihr Spread-Eagleism zur Ideologie wurden

Die USA waren immer schon etwas Besonderes. Ob du nun zustimmst oder nicht: Zumindest glauben das dort viele Menschen und auch schon im 19. Jahrhundert war dieser Glaube in den USA fast genauso weit verbreitet. Man sah sich eben als etwas anderes als all diese altmodischen europäischen Staaten, die sich da so in der Welt herumtummelten. Immerhin war man doch die erste richtige demokratische Republik der Moderne! Und zu so einem Selbstbild gehörten dann doch ein paar Sachen ganz selbstverständlich dazu. Die Isolation zum Beispiel. Seit den 1820er-Jahren begannen sich die USA aus dem Weltgeschehen außerhalb des eigenen Kontinents immer mehr herauszuhalten. Die Monroe-Doktrin von 1823 legte fest, dass sich die USA nicht außerhalb ihres „Einflussbereichs“ am amerikanischen Kontinent betätigen würden. Gleichzeitig verbat man sich aber auch jeglichen europäischen Einfluss auf die Geschehnisse in Amerika. Während die bestehenden europäischen Kolonien dort zwar toleriert wurden, waren die USA in der Zeit somit also auch eine Macht gegen (weiteren) Kolonialismus in Amerika. Logisch mit Blick auf die eigene Geschichte eigentlich.

Wenn man sich die Vereinigten Staaten heute so anschaut, scheinen wir aber doch Welten von der Monroe-Doktrin und dem Isolationismus von damals entfernt zu sein. Über den ganzen Globus verstreut haben die USA heute ihre Militärbasen und bis vor kurzem sahen sie sich überhaupt noch als Sheriff der Welt. Wie kamen wir also dahin, wo wir heute sind? Wie kamen wir von der Idee der amerikanischen Besonderheit – dem „Exceptionalism“ – erst in die Isolation und dann zum Ausbruch daraus zum heutigen Großmachtstatus?

Das hat ganz viel mit einem erstmal gar nicht so Aufsehen erregenden Krieg zu tun: dem Spanisch-Amerikanischen Krieg am Ende des 19. Jahrhunderts. Aber es hängt doch ein ganzer Rattenschwanz an Entwicklungen an diesem Krieg mit dran. Im Kontext dieser Ereignisse sehen wir auch ein ganz neues Aufschwappen von billigem US-Patriotismus, angefeuert von einer selbstbewussten Boulevardpresse. Und mit dieser Begeisterung und dem folgenden Kriegsglück geschieht noch etwas. Irgendwann in diesem Prozess fanden die Führer der USA dann auch noch selbst Geschmack am Kolonialismus. Wie sich die Zeiten nicht ändern.

Der Spanisch-Amerikanische Krieg

Auch vor Ende des 19. Jahrhunderts war die Problematik mit den europäischen Kolonialreichen in Amerika für die USA natürlich nicht unbekannt. Schon als die Monroe Doktrin in den 1820ern ausgesprochen wurde, litt sie unter einem schwerwiegenden eingebauten Widerspruch. Die europäischen Kolonien in Amerika einerseits anzuerkennen, weitere europäische Aktivität am Kontinent aber zu untersagen … Das konnte nicht ewig gut gehen. Irgendwann musste man damit in Konflikt geraten, hier keine konsequente Linie zu vertreten. Und so war es dann auch und zwar gegenüber dem Kolonialreich Spanien. Das war in der Nachbarschaft der USA im 19. Jahrhundert schließlich immer noch äußerst aktiv. Gut … beginnend im Jahr 1810 war zwar Mexiko flöten gegangen. Und ja, kurz darauf auch der Rest Mittel- und Südamerikas. Aber all die Prachtstücke des Spanischen Imperiums waren doch noch da! Puerto Rico zum Beispiel. Oder Kuba. Oh Kuba … die Krone des Reiches! Solange wir das noch haben, ist doch alles gut. Sagten sich die Spanier. Hold my drink, erwiderten die Amerikaner.

Mit Kuba fing das Problem für Spanien in der Neuen Welt gegen Ende des 19. Jahrhunderts also so richtig an und zwar erst ohne viel Einfluss aus den USA. Die Menschen Kubas waren mit dem Mutterland Spanien nämlich gar nicht mal so zufrieden, wie man in Madrid vielleicht gerne geglaubt hätte. Schon Jahrzehnte vor dem Spanisch-Amerikanischen Krieg erhoben sich dort immer wieder Unabhängigkeitsbewegungen. Da gab es schon mal einen 10-jährigen Krieg ab 1868 – konsequenterweise als „zehnjähriger Krieg“ bekannt. Kurz darauf folgte noch ein kleinerer Konflikt namens „Kleiner Krieg“ (ja.. ich weiß schon) und daneben immer wieder kleinere Scharmützel, bis Kuba dann 1895 ganz im offenen Aufstand gegen die spanische Kolonialherrschaft stand.

Was das alles mit den USA zu tun hat, fragt ihr jetzt? Es heißt doch schließlich nicht spanisch kubanischer sondern spanisch amerikanischer Krieg! Nun … Eine Reihe an Zufällen. Erstmal fanden weite Teile der US-Bevölkerung den Aufstand in Kuba richtig gut. Naja, wen wundert’s auch? Zu dem Zeitpunkt erzählten sich die Amerikaner immerhin seit einem Jahrhundert glorreiche Geschichten von ihrem eigenen Kampf gegen den bösen Kolonialismus. Natürlich fand eine anti-spanische Rebellion im benachbarten Kuba da ihre Anhänger im Land. Im Jahr 1898 konnte sich US-Präsident McKinley gegen diese öffentliche Meinung dann irgendwann auch nicht mehr wehren und entsandte das amerikanische Schlachtschiff USS-Maine nach Havanna. Nicht unbedingt um die Spanier anzugreifen. Man wollte nur… aufzeigen, dass man auch noch da war.

Die Lage in Kuba eskaliert, die Patrioten finden’s geil

Die Sache mit der USS-Maine lief dann in der Folge leider aber nicht so optimal. Nach ein paar Wochen explodierte das Schiff nämlich einfach mal so im Hafen Havannas. Es ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt, woran diese Explosion lag. Ein Unfall? Ein spanischer Angriff? Gar ein Inside Job? Letztendlich ist es aber egal. Die Meinung in den USA war diesbezüglich schnell klar: Es waren natürlich die verdammten Spanier! Zumindest tönten dass die aufkommenden Boulevardzeitungen aus New York lauthals raus und erfanden bei der Gelegenheit gleich noch ein paar Geschichten über spanische Übergriffe gegen die kubanische Zivilbevölkerung. Eine besonders einfallsreiche Headline der Zeit war „Remember the Maine, to hell with Spain“.

Die Zeitungen und die öffentliche Meinung waren aber sicherlich nicht der einzige Grund dafür, dass die USA hier so mit dem militärischen Muskel spielte. Das Land hatte in Kuba auch ganz handfeste geopolitische Interessen. Das hat sich bis heute nicht großartig geändert. Die USA waren 1898 schon seit langem der größte Handelspartner Kubas. Obendrein lag die Insel einfach verdammt praktisch – nah am US-Staatsgebiet und auf dem Weg von Florida nach Mittelamerika, wo in den USA schon länger Träume vom Bau eines Kanals – dem späteren Panama-Kanal – herumschwirrten. Kuba zu kontrollieren würde da nun wirklich nicht schaden.

Und so gaben die USA ihre langanhaltende Isolation 1898 also als Antwort auf die Explosion der Maine auf und erklärten Spanien den Krieg. Und das spanische Reich wusste nicht, wie ihm geschah. Innerhalb von nur ein paar Monaten besiegten amerikanische Truppen die Spanier da nämlich an allen Fronten. In Kuba selbst waren die Amerikaner und die Aufständischen schon in kürzester Zeit siegreich. Weil man aber gerade schon dabei war, griffen die US-Truppen auch gleich noch das nahe gelegene Puerto Rico an. Und dann die nicht ganz so nahe gelegenen spanischen Philippinen. Aber gut, die lagen eben auch sehr praktisch. Aja, und weil sie schon auf dem Weg dorthin waren, schnappten sie sich unterwegs noch schnell Guam. Wenn’s läuft, läuft’s halt.

Und so endete das spanische Kolonialreich und alle waren frei und glücklich

Nachdem Spanien und die USA wenige Monate später – Ende 1898 – dann in Paris Frieden geschlossen hatten, war das spanische Kolonialreich somit endgültig am Boden zerstört. Kuba wurde von Madrid in die Unabhängigkeit entlassen. Wobei wir ja schon gehört haben, wer dort wirtschaftlich so das Sagen hatte … Nicht ganz zufällig geht auch die US-Kontrolle der Guantanamo-Bucht auf diesen Friedensschluss zurück. Und die anderen im spanisch-amerikanischen Krieg von den USA besetzten Länder – Puerto Rico, Guam, die Philippinen? Die Leute dort wären bei der Gelegenheit doch wahrscheinlich auch gern unabhängig geworden. Mag sein … Stattdessen schauten diese Menschen aber bald dabei zu, wie amerikanische Soldaten in die Garnisonen der Spanier einzogen. So hatten sie sich das wahrscheinlich nicht vorgestellt.

Die USA waren damit endgültig zur globalen Großmacht aufgestiegen und die Menschen im Land waren in ihrer Mehrzahl hellauf begeistert. Von Puerto Rico bis zu den Philippinen erstreckte sich der amerikanische Einfluss jetzt über die Hälfte der Welt. Wer braucht denn bitte die Monroe-Doktrin und die Isolation, wenn man auch so viel Macht in Händen halten kann?! Wenn das dann bedeutet, die eigenen antikoloniale Geschichte ein bisschen zu überdenken, dann soll das eben so sein. Ein Begriff, der sich damals für die neue Außenpolitik der USA durchsetzte, war schließlich der sogenannte „Spread-Eagleism“. Warum? Dieses Bild könnte es erklären. Mit Isolation und nobler Zurückhaltung hat das jedenfalls nicht mehr so viel zu tun. Wie wir unsere USA eben kennen und lieben.

4 Gedanken zu „Der Spanisch-Amerikanische Krieg: Wie die USA zur Großmacht und ihr Spread-Eagleism zur Ideologie wurden“

  1. Hallo Ralf,
    kurze Folge.
    Ich denke aber, daß dieser Krieg nicht ganz so grundsätzlich war:
    Schon die Annexion von Texas war defacto nichts anderes.
    Vom Amerikanisch-Mexikanischen Krieg um Neu-Mexico mal ganz zu schweigen.
    Und wie man die „Landnahme“ im Vergleich zum Kolonialismus sehen muß – übersteigt meine „Möglichkeiten“ :-).
    Was aber idT anders war: Die USA verläßt den Kontinent.
    Grüßle,
    Ludwig

    1. Hey Ludwig! Ja ich weiß, etwas kurz geraten diesmal. Die nächsten sind wieder länger 😉

      Irgendwann nächstes Jahr kommt übrigens auch was zum US-Mexikanischen Krieg denn da hast du recht: Der hatte nicht ganz so geringe Auswirkungen

  2. Der Beitrag kommentiert eigentlich bestens Deine Frage zu Segen und Fluch der Demokratie. Ohne hysterisierende Massenmedien und „repräsentative Demokratie“ hätte es diesen Krieg, Deiner Argumentation zufolge, nicht gegeben. Und wahrscheinlich auch die meisten folgenden nicht, wie den aktuellen Ukraine-Krieg.

    In dem Zusammenhang fände ich eine Podcast-Reihe zur historischen Entwicklung der Demokratie-Idee interessant, ausgehend vom Arginusen-Prozess 406 v. Chr über den römischen Republikanismus, den Verfassungsbeschluss des Kantons Glarus 1387 und die spätmittelalterlichen Kommunalverfassungen bis zum Ende der Demokratie als Volksversammlung und ihren Ersatz durch die „repräsentative Demokratie“ in der französischen Revolution.

    https://www.youtube.com/watch?v=YVZfV3ISpCQ&ab_channel=JamesKierstead

    mfg, Lutz Müller

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