Ich bin im Jahr 1988 geboren. Für mich gab es somit keine Zeit vor dem Plastik. Seit ich denken kann, ist so ziemlich jeder Gebrauchsgegenstand aus Kunststoff hergestellt oder enthält zumindest Kunststoffteile. Je nach Alter geht es dir da entweder ähnlich, oder du kannst dich noch an den radikalen Wechsel erinnern, der in den 60ern und 70ern über unsere Welt hinweggefegt ist. Denn Plastik gab es ja nicht immer, man denke dabei nur an den Milchmann, der Milch gebracht und leere Glasflaschen wieder mitgenommen hat. Diese Zeiten sind schon lange Geschichte. Wir leben in der Ära des Plastik
Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich mich frage, womit Waren eigentlich vorher mal verpackt wurden. Plastik scheint in seiner Nützlichkeit nicht ersetzbar. Gleichzeitig ist inzwischen aber auch mehr als deutlich, welche Probleme uns der Kunststoff bereitet. Plastikmüll sammelt sich an Land und im Meer an und verschmutzt dort die Umwelt. Abbaubar ist das Ganze mit Glück in einigen hundert Jahren oder auch gar nicht. Und bis dahin tötet es in unseren Ozeanen massenhaft Lebewesen, von den Gefahren für den Menschen gar nicht zu reden. Die langsame Abkehr vom Einwegplastik hat zwar inzwischen begonnen, der Weg ist aber noch weit. Um zu verstehen, wie wir überhaupt an diesen Punkt kamen, lohnt es sich daher mal zu fragen: Seit wann gibt es Plastik denn?
Die frühe Geschichte der Kunststoffe
Der Name “Kunststoff” deutet schon an, dass es sich dabei wohl um eine recht neue Entwicklung handeln muss. Und klar, das stimmt auch. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Menschen nicht schon seit langer Zeit Stoffe verwendet hätten, die dem heutigen Plastik recht ähnlich sind. Plastik besteht im Kern nämlich aus sogenannten Polymeren: Chemische Stoffe, die aus mehreren relativ großen Molekülen bestehen und genau aus diesem Grund ihre Stabilität und Formbarkeit erhalten. Das heutige Plastik ist somit zwar ein Kunstprodukt, doch es gibt polymere Stoffe auch in der Natur, zum Beispiel Bernstein, Baumharz oder Felle und Leder. Und die haben die Menschen schon sehr früh aus genau denselben Gründen verwendet wie heute: Sie waren widerstandsfähig und gleichzeitig formbar. Perfekt um Waren darin zu verpacken und so zu schützen.
Seit Ende des Mittelalters nahmen die Nutzungsmöglichkeiten dieser Stoffe weiter zu und Erfinder erkannten neue Möglichkeiten, solche Polymere herzustellen (auch wenn noch niemand wusste, was ein Polymer ist). So gelang beispielsweise im 16. Jahrhundert die Produktion von sogenanntem Kunsthorn aus … ausgerechnet … Ziegenkäse. Dieser Stoff dürfte übrigens praktischer und auch deutlich geruchsneutraler gewesen sein, als es auf den ersten Blick wirkt … In den folgenden Jahrhunderten fanden dann auch neue natürliche Kunststoffe ihren Weg nach Europa, etwa der Kautschuk. Aber natürlich: Auch das war noch kein Kunststoff im heutigen Sinn. Dafür waren dann doch die Entwicklungen in der modernen Chemie notwendig, die erst im 19. Jahrhundert erreicht wurden. Dann ging es dafür aber Schlag auf Schlag.
Alles begann mit Charles Goodyear, der in den 1830er-Jahren den modernen Gummi erfand, indem er Kautschuk mit Schwefel versetzte. Er selbst stellte daraus allerdings keine Reifen her, wie man bei seinem Namen eigentlich annehmen könnte. Goodyear produzierte stattdessen Handschuhe, Schuhe und andere Gebrauchsgegenstände. Die heutige Reifenfirma Goodyear ist “nur” ihm zu Ehren benannt. Weitere Kunststoffe drangen sehr bald danach auf den Markt: Zelluloid, Linoleum, Bakelit und PVC, um nur ein paar zu nennen. Aber woraus wurde dieses Plastik damals hergestellt? Das war im 19. Jahrhundert tatsächlich noch relativ vielfältig und viele Kunststoffe basierten auf natürlichen Rohstoffen. Heute würde man das wohl Bio-Kunststoff nennen. Die große Zeit des Plastik folgt aber erst im 20. Jahrhundert und seitdem ist das Ausgangsmaterial der allermeisten Kunststoffe ein anderes: Es stammt aus der Erdöl- und Erdgasindustrie.
Die goldene Ära des Plastik
Die Kunststoffindustrie des 19. Jahrhunderts hatte ja ein grundlegendes Problem. Obwohl alle Entwicklungen der Zeit in Experimenten der neuen Chemieindustrie entstanden, hatten die Erfinder der Zeit keine Vorstellung davon, wie genau die chemische Zusammensetzung von Kunststoffen aussah und was diese ausmachte. Heute wissen wir wie schon gesagt, dass die Eigenschaften des Plastik aus seiner polymeren Struktur kommen. Damals musste man eher raten und mit Glück und Gefühl fanden Erfinder eben doch immer neue Kunststoffe. Ein System mag es gegeben haben, wirklich effizient war der Prozess aber freilich nicht. Nachdem der deutsche Chemiker Hermann Staudinger die chemische Struktur der Polymere 1917 aber erkannt hatte, taten sich für die Industrie fast über Nacht ganz neue Möglichkeiten auf. Mit dem Wissen um die Natur von Kunststoffen, stand der Produktion im großen Stil nicht mehr viel entgegen und mit etwas Verspätung erhielt Staudinger dafür in den 50er-Jahren auch den Nobelpreis. Man wusste ja noch nicht, welche Probleme seine Erfindung uns noch bescheren würde …
In eben diesen 50er-Jahren begegnen wir dann auch dem modernen Plastik-Boom. Nun wurden im großen Maßstab jene Kunststoffe hergestellt, die auch heute noch die am weitesten verbreiteten sind: das aus Erdgas gewonnene Polyethylen und das auf Erdöl basierende Polypropylen. Das war nichts anderes als eine Revolution! Bis zu dem Zeitpunkt, waren Verpackungen ja entweder leicht und fragil (wie etwa Papier und Karton) oder schwer und meist genauso fragil wie Glas oder Ton. Daneben gab es noch Holzfässer und Kisten, die nun auch nicht sonderlich praktisch waren. Die neuen Kunststoffe schienen dagegen alles zu bieten, was die sich entwickelnde Konsumgesellschaft brauchte. Sie waren leicht und formbar, gleichzeitig trotzdem stabil und langlebig und obendrein wurden sie immer günstiger in der Herstellung. Wann genau das Plastik endgültig in der Breiten Masse beliebt und verbreitet war, hängt ein wenig von der Region ab, ab den 70ern war der Stoff aus dem Alltag der meisten Menschen aber nicht mehr wegzudenken.
Die Verwendungsart von Plastik änderte sich mit der Zeit aber doch deutlich. In seiner Frühzeit fand der Kunststoff fast ausschließlich in langlebigen und wiederverwendbaren Produkten Gebrauch. Eine der ikonischsten und bis heute bekanntesten Verwendungsarten der Zeit war sicher die Tupperware, die man auch im Bild zu diesem Beitrag sieht (darauf ist übrigens eine Tupperware-Party im Florida der 50er-Jahre zu sehen). Doch mit dem Generationswechsel und der weiteren Entwicklung der Konsumgesellschaft kam ab den 70er-Jahren eine neue Verwendungsart hinzu, die uns bis heute die meisten Probleme bereitet: Das Einwegplastik. Plastik war inzwischen so unfassbar günstig zu produzieren, dass man es nach einer Verwendung genauso gut wegwerfen konnte. Es würde gut dreißig Jahre dauern, bis die dadurch resultierende Umweltverschmutzung zum großen Thema wurde. Heute gibt es wieder eine langsame Entwicklung weg von “Single Use Plastics” und hin zu wiederverwendbaren oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Die Folgen der Plastikrevolution des 20. Jahrhunderts werden uns aber wohl auch noch das gesamte 21. über begleiten.
Die offensichtlichste Verwendungsart des modernen Plastik ist sicherlich die Verpackung. Einiges habe ich da ja schon angesprochen, auf dem Podcast schaue ich mir diese Woche aber mal die Geschichte der Verpackungsmaterialien im Detail an. Wann begann die Menschheit damit, Waren einzupacken? Welche Materialien verwendete man vor dem Kunststoff dafür und wo soll das alles hinführen? Hör rein!
Das ist ganz hervorragend, dass die Geschichte veröffentlicht ist. Gerade machte ich mir mit der jüngeren Generation Gedanken über dieses Thema. Nun bin ich gut informiert.
Bei solchen ‚Tupperandachten‘, wie ich sie manchmal nannte, war ich des öfteren dabei. Ein Gruß an alle, die es gern mögen, dies zu lesen.
Sehr interessant, vielen Dank!
Das ist alles ein bisschen sehr oberflächlich. Kunststoffe sind auf der Basis des Rohstoffmangels entstanden und weil es Isolatoren brachte. Isolatoren bestanden zuerst aus seltenen Rohstoffen. Strom war aber der Renner, erst für das Militär- schon Napoleon hätte sich Satellitenfunk gewünscht, dann hätte er sicher Waterloo gewonnen oder gar nicht nötig gehabt- dann für die Hochindustrialisierung. Strom ist gefährlich, er braucht sichere Isolatoren. Diese bestehen aus Kunststoffen. Kunststoffe isolieren Kabel, isolieren Herde, isolieren Reifen- ohne Kunststoffe geht nichts mehr. Das Einweggeschirr ist hygienisch und wird in wichtigen Bereichen, falls es in Zukunft noch Krankenhäuser geben sollte- bleiben. Im Haushalt gibt es Kunststoffe, die für manche Menschen sicherer sind- alte Menschen, Menschen mit Verletzungen und Krankheiten. Sie sind leicht und lassen sich gut halten. Zudem ist Porzellan teuer und ein seltener Rohstoff. Auch Tonerde ist endlich. Letztlich basieren viele Kunststoffe aber auf Öl und seltenen Rohstoffen. Der einzelne Verbraucher spielt also in der Kette eine Rolle- am wichtigsten aber ist die Industrie- Chemie, Elektro, Fahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge, Textil, Maschinenbau und vieles mehr. Daher ist die Digitalisierung kritisch zu sehen. Biologisch abbaubar ist übrigens …seltsam…Plastik hat einen hohen Heizwert aber verrotten lassen ist gefährlich wegen der vielen Stoffe, mit denen Kunststoffe komponiert werden. Das ist Sondermüll und ich erinnere an die Zeiten, in denen im Rhein Fotos entwickelt werden konnten.
Vielen lieben Dank für deinen Input und deine Ergänzungen. Ohne das in meinem 3 Jahre alten Beitrag jetzt im Detail zu überprüfen, schätze ich, du hast mit deiner Einschätzung da recht – danke!
Werter Herr Grabuschnig ich bin rein zufällig auf Ihren Artikel über Plastik gestoßen und hätte gerne einige Ihrer Details und auch auszugsweise den Bericht von Beate in meinen Roman integriert. Ich erlaube mir daher die Anfrage, ob ich das machen darf.
Sehr gerne sogar!