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Der Polizeistaat Bayern und seine Vorbilder aus der Geschichte

Der Polizeistaat

Ein Polizeistaat ist schon etwas tolles. So hat er doch wirklich nur Vorteile. Also für die Regierenden zumindest. Nicht ohne Grund tritt in Bayern diesen Sommer ein neues Polizeiaufgabengesetz in Kraft. Damit darf die bayerische Polizei in Zukunft Anrufe und elektronische Daten ihrer Bürger abhören, wenn aus ihrer Sicht drohende Gefahr besteht. Sie darf dazu auch in Wohnungen einbrechen und Computer und ähnliches beschlagnahmen. Dazu kommen noch Gooddies, wie die Möglichkeit, potentiellen Gefährdern ohne richterlichen Beschluss Aufenthaltsverbote zu verpassen oder sie für ganze drei Monate in Vorsorgehaft zu nehmen. Und sollte das alles nicht reichen, darf die bayerische Polizei bald auch noch Handgranaten werfen. Warum auch nicht?

Na, das ist ja keine schlechte Nummer! Zurecht hagelt es also Kritik an diesen Plänen der bayerischen Staatsregierung. Aber ist das Ganze denn wirklich neu? Nein! Der bayerische Polizeistaat kann in der Geschichte auf zahllose Vorbilder zurückgreifen. Immerhin kommt das Gesetz ja von einer konservativen Partei, der CSU. Die machen doch nicht einfach etwas Neues, wenn es auch etwas gutes Altes sein kann! Welche historischen Vorbilder könnten die CSU hier also inspiriert haben?

Das absolutistische Bayern unter Maximilian I.

Die CSU hat an der Front wirklich gewaltiges Glück! Sie muss sich für ihre Pläne nicht mal im Ausland nach Vorbildern umschauen, sie findet sie gleich zuhause im Freistaat. Schon im 17. Jahrhundert gab es in Bayern nämlich das erste Mal so etwas wie einen Polizeistaat und zwar unter Maximilian I. Aber gut, der hatte das damals auch bitter nötig! Als der junge Max 1597 nämlich von seinem Vater die Regentschaft Bayerns übernahm, brannte es wirklich an allen Ecken und Enden des Landes. Die Glaubensstreitigkeiten nahmen in ganz Deutschland und Europa an Fahrt auf und obendrein ertrank Bayern in Schulden. Da musste doch etwas gemacht werden!

Maximilian machte sich also daran, sein Bayern in einen absolutistischen Staat umzuwandeln und damit wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Er ging gegen die Macht des Adels und der Städte vor, stärkte die Beamtenschaft, kurz: Er tat, was man als machtbewusster Herrscher eben so tut. Obendrein sanierte der junge Herzog auch die Staatsfinanzen, indem er unter anderem das bayerische Weißbiermonopol einführte. Aber gut, all das macht Bayern unter Maximilian I. noch nicht zum Polizeistaat. Das kam erst mit dem sich abzeichnenden Dreißigjährigen Krieg auf. Maximilian war nämlich selbstverständlich – wie jeder gute Bayer auch heute noch – standfester Katholik! Damit das auch bei seinen Untertanen so blieb, übertrug er weitgehende Rechte an den Jesuitenorden, die sprichwörtlichen Bulldoggen des Papstes. Die würden schon für Ordnung sorgen. Besser als jede Polizei es könnte!

Und ehe man sich versah, ging es unter der Ägide der Jesuiten dann bald richtig zur Sache. Es wurde eine Kirchliches Polizeiregiment geschaffen, welches in allen Gegenden des Landes Spione einsetzte, um Tätigkeiten, die gegen Kirche und Staat gerichtet waren, aufzuspüren und zunichte zu machen. Wer sich gegen die Obrigkeit richtete, durfte mit heftigen Strafen rechnen bis hin zur Todesstrafe. Das Spitzelsystem Maximlians und der Jesuiten ist somit ein heißer Anwärter auf den Titel erster Polizeistaat der Geschichte. Das wird heute aber kaum noch diskutiert. Für Bayern ist Maximilian I. vor allem wichtig, weil er als erster Herzog zum Kurfürsten wurde und in dem Zusammenhang die Ober- und Kurpfalz seinem Land einverleibte. Aja, und natürlich wegen der Weißbiersache. Das Bier ist den Bayern ja immer noch am nähsten. Da darf man sich dann auch ein bisschen Überwachung erlauben.

Robbespierre, die Jakobiner und ihre Schreckensherrschaft

Auf der Suche nach historischen Vorbildern für den Polizeistaat, muss sich die CSU aber nicht auf Bayern beschränken, auch wenn sie das wohl gerne würde. Aber es bieten sich doch so schöne Inspirationen anderswo, da kann man durchaus auch mal näher hinschauen. Beispielsweise gäbe es da das nachrevolutionäre Frankreich! Zwischen Maximilian I. von Bayern und der Französischen Revolution zogen ja immerhin 150 Jahre ins Land. Da ergaben sich für die modernen Staaten Europas ganz neue Möglichkeiten der Überwachung! Man will der neusten Technik schließlich nicht hinterherhinken! Ein Mann, der diese neuen Möglichkeiten besonders eindrücklich demonstrierte, war schließlich ein Namensvetter unseres guten Maximilians: Maximilien de Robespierre.

Man muss sich vor Augen führen: In den frühen 1790ern lief die Sache mit der Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit in Frankreich ja nicht mehr so sonderlich. Die Jakobiner hatten sich als führende Gruppe der Revolution hervorgetan und waren zunehmend bereit, ihr auch mit Gewalt Nachdruck zu verleihen. Und wie man sich auch vorstellen kann, nahm das sehr bald die Form eines ausgewachsenen Polizeistaats an. Die finale Eskalation begann dabei Anfang 1793. Da wurde nämlich das sogenannte „Revolutionstribunal“ gegründet, ein quasi-Gericht, gegen dessen Urteile keine Berufung möglich war. Cool … So richtig abwärts ging es dann aber im Herbst desselben Jahres mit einem Gesetz gegen Verdächtige. Damit konnten alle, die der Konterrevolution verdächtigt wurden, ohne weitere Begründung weggesperrt werden. Nun, das klingt jetzt doch schon ganz gewaltig nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz!

Die Jakobiner beließen es aber natürlich nicht dabei. Für die CSU mag so etwas heute ausreichend sein, damals hatte man aber noch Ambitionen! Gegen Ende des Jahres 1793 übernahm die Führung um Robbespierre dann sogar offiziell die Bezeichnung „Terror“ – die sie natürlich als absolut positiv verstand! – um ihre Politik zu beschreiben. Konterrevolutionäre sollten demnach nun einfach direkt hingerichtet werden. So eine Haft kostet doch auch viel zu viel und um die Staatskassen Frankreichs war es damals nicht besser bestellt als heute. Um auch immer schön Futter für die nagelneuen Guillotines zu finden, wurden dann im ganzen Land sogenannte „Überwachungsausschüsse“ gegründet, die das Volk bespitzelten. An die 40.000 Menschen durften in den folgenden Monaten dran glauben. Aber das waren doch sicher ohnehin allesamt radikale Gegner des Staates! Passt scho … würde man in Bayern sagen.

Der Polizeistaat im System Metternich

Das Beispiel Frankreich zeigt: Mit Ende des 18. Jahrhunderts kommen wirklich ganz neue Möglichkeiten für den modernen Polizeistaat auf. Das waren Dinge, von denen Leute wie Maximilian von Bayern kurz davor nur träumen konnten. Aber der große Zauberer kommt in der Hinsicht noch. Der Kutscher Europas, das Gesicht des Ancien Régime, der Reaktion schlechthin: Klemens Wenzel Lothar von Metternich. Er war es, der den Scherbenhaufen aufräumte, den die Jakobiner um Robbespierre, ganz besonders aber deren Nachfolger Napoleon, in Europa hinterlassen hatten. Und sein Rezept war ein einfaches: Wir machen einfach alles wie früher schon. Allein deswegen müsste Metternich der heutigen CSU-Führung ja sympathisch sein.

Alles so wie früher. Das hieß für Metternich folgendes: die Macht der adeligen Stände erhalten, keine modernen Parlamente oder gar Verfassungen zulassen und freie Meinung unterdrücken, wo immer es nur geht! Und das nicht nur in seiner Heimat, dem Habsburgerreich, sondern in allen deutschen Landen und wenn’s irgendwie geht, doch bitte gleich in ganz Europa. Als österreichischer Außenminister und Staatskanzler hatte Metternich dazu auch wunderbare Voraussetzungen. Während er das alte System also nach außen hin mit Ideen wie der Heiligen Allianz zwischen Österreich, Preußen und Russland absichern wollte, stützte er sich im Inneren auf die die Mittel des guten alten Polizeistaats. Diesmal aber auf Crack.

Um seine Ziele zu erreichen, setzte Metternich bald in ganz Österreich und Deutschland seine Spitzel ein. Im Jahr 1819 ging er dann noch einen Schritt weiter. Da wurden die Karlsbader Beschlüsse unterzeichnet. Sie schafften die Meinungsfreiheit in den deutschen Landen einfach ab, führten die Zensur für so ziemlich alle Veröffentlichungen ein und etablierten die strikte Überwachung potentieller Unruhestifter, ganz besonders an den Universitäten. Nationale Vereine wie Burschenschaften und Turnvereine wurden überhaupt ganz geschlossen, alle anderen Aufmüpfigen durften mit Berufsverbot und Haft rechnen. Überwacht wurde das ganze von einer „Zentraluntersuchungskommission“ in Mainz, in der alle Berichte über mögliche Regimegegner aus ganz Deutschland zusammenliefen.

Geholfen hat aber leider alles nichts. Im Revolutionsjahr 1848 musste auch Metternich seinen Hut nehmen. Seine Ideen starben damit aber noch lange nicht. Sie kamen über die Jahre immer wieder. In Österreich unter dem frühen Kaiser Franz Josef, im Wilhelminischen Preußen, in Nazi-Deutschland und nicht zuletzt in der DDR. Achja, und jetzt natürlich in Bayern. Ein echter Visionär, dieser Metternich!

Und wie passt das Polizeiaufgabengesetz rein?

Die CSU hat in Bayern also eine ganze Menge Auswahl. Es gibt für ihren geplanten Polizeistaat wirklich wunderbare Vorbilder aus der Geschichte. Für ihr Polizeiaufgabengesetz kann sich die politische Führung des Freistaats somit das beste aus alledem zusammensuchen. Das Verdächtigungsgesetz der Jakobiner unter Robbespierre: Nehmen wir! Die institutionelle Überwachung Metternichs: Immer her damit! Und wenn wir schon dabei sind, malen wir das ganze doch gleich weiß-blau an. Mit Maximilian I. gibt’s ja auch hier ein sympathisches Vorbild aus der Geschichte. Da kann das alles also gar nicht so schlecht sein. Bayern braucht halt a biserl Überwachung. Das war schon immer so.

Wir können dennoch nur hoffen, dass das Gesetz in dieser Form nicht Realität wird. In den Medien wird es ja ständig erwähnt: Das bayerische Polizeiaufgabengesetz wäre tatsächlich das härteste deutsche Polizeigesetz seit 1945. Nach den historischen Beispielen, von denen wir hier gehört haben, sollte aber auch klar sein: In seinem Geist ist dieses Gesetz in Wirklichkeit näher an 1815 dran als sonst irgendwas. Auch das sollte für Politiker im Jahr 2018 kein Maßstab sein. Doch wer weiß, vielleicht kommt es ja doch noch zum bayerischen Volksaufstand dagegen. Auch das hat es in der Geschichte ja schon gegeben. Dazu müsste die CSU aber wohl erst noch den Bierpreis erhöhen. Und so blöd ist sie nicht.

Wem der Gegenwartsbezug an der Sache immer noch nicht klar ist, kann noch hier nachlesen, warum wir uns eigentlich mit Geschichte beschäftigen sollten. Zum Thema Karlsbader Beschlüsse bzw. ihren Ursachen haben übrigens die Kollegen vom Zeitsprung FM Podcast letztes Jahr eine sehr schöne Episode gemacht. Wir hören uns dann nächste Woche wieder zum Podcast. Bis dahin: Nicht unterkriegen lassen!

2 Gedanken zu „Der Polizeistaat Bayern und seine Vorbilder aus der Geschichte“

  1. Gefällt mir sehr gut, aus der Perspektive der historischen Rückschau Geschriebenes.
    Aaaaber..
    nur ein kleiner Tipp am Rande: die vielen Ausrufezeichen sind gar nicht nötig.
    Die entstehen beim Lesen schon im Kopf 😉

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