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Die Suezkrise. Irgendwie läuft das mit dem Imperialismus nicht mehr so recht…

Karte der Suezkrise

Alte Gewohnheiten kann man sich bekanntlich nur schwer abgewöhnen. Das weiß ja jeder von uns, auch wenn wir uns – so wie jetzt – zu Jahresbeginn gerne Anderes einreden. Um eine besonders liebgewonnene Gewohnheit der Europäer soll es heute gehen: den Imperialismus! Genauer gesagt um dessen spektakuläres Ende in der Suezkrise von 1956. Da wollten es Großbritannien und Frankreich nämlich nochmal wissen und fielen so richtig schön auf die Schnauze. Damit schufen sie ohne es zu wollen die Welt, wie wir sie heute kennen. Lief irgendwie nicht mehr so, die Sache mit dem europäischen Imperialismus. Dabei fing es so vielversprechend an…

Großbritannien, Frankreich der europäische Imperialismus

Nur zehn Jahre vor den Ereignissen der Suezkrise, am Ende des Zweiten Weltkriegs, gab es in Europa bekanntlich einen klaren Verlierer. Das letzte Aufbäumen deutscher Großmachtfantasien war letzten Endes doch noch abgewehrt worden. Auf der anderen Seite gab es auch klare Sieger: Frankreich und vor allem Großbritannien. Jahrelang hatte sich der kleine Inselstaat alleine der deutschen Übermacht entgegengestellt. Wochenlang bombardierte Hitler gar die britische Hauptstadt selbst und doch, nach sechs Jahren Krieg, war es dann Deutschland, das in Schutt und Asche lag. Großbritannien dagegen stand aufrecht, stolz und stark, wie es immer schon gewesen war. Die Rolle als europäische Supermacht war gerettet und es konnte für das Empire nur noch aufwärts gehen. Dachten sich die pfeifenrauchenden, äußerst realitätsnahen Politiker Großbritanniens damals wohl.

Während man in Großbritannien so vor sich hin philosophierte, teilten sich die USA und die Sowjetunion bekanntlich die Welt auf. Es dauerte bis in die 1950er-Jahre hinein, dass die politische Klasse Großbritanniens das erkannte. Man war längst aufs Abstellgleis der Geschichte geraten. Zwischen West und Ost, Washington und Moskau, war kein Platz für eine europäische Großmacht. Aber vielleicht ließe sich das ja ändern, dachten sich die Briten bescheiden wie eh und je. Die USA und die Sowjetunion. Das waren letzten Endes doch bestenfalls vorübergehende Phänomene!

Im Jahr 1956 bot sich dann die einmalige Möglichkeit, die eigene Macht mal wieder zu demonstrieren und ein für alle Mal klarzustellen, dass man ganz oben mitspielte! Diese Chance eröffnete sich im Nahen Osten, genauer gesagt in Ägypten. Dort machte nämlich ein neuer Machthaber von sich hören: Gamal Abdel Nasser. Und der sorgte bald für mächtig Probleme. Ein klarer Fall für das britische Empire also!

Das Empire, Ägypten und der Suezkanal

Ägypten war für das britische Empire ja schon lange ein besonderer Ort. Nicht unbedingt, weil es eine echte Kolonie war, sondern vielmehr wegen des Suezkanals. Dieser Kanal verbindet ja bekanntlich das Mittelmeer mit dem Roten Meer und war für den britischen Seehandel von ganz zentraler Bedeutung. Er wurde in den 1860ern fertiggestellt und schon damals hatte das Britische Empire da mächtig seine Finger im Spiel. Es war ja nicht etwa Ägypten, das den Kanal damals bauen ließ. Vielmehr wurde er von einem privaten Unternehmen, der Suezkanal-Gesellschaft, betrieben und die saß in Paris und wurde von französischen und britischen Interessen dominiert. Noch etwas später reichte Großbritannien aber auch das nicht mehr und man entschied sich einfach, die Mehrheit der Suezkanal-Aktien direkt aufzukaufen. In den 1880ern besetzten britischen Truppen die Kanalregion dann endgültig und verwandelten Ägypten in ein Protektorat. Smooth…

Man hatte in London auch nicht unbedingt vor, allzu schnell wieder von dort abzuhauen. Im ägyptischen Vertrag mit der Suezkanal-Gesellschaft wurde nämlich festgehalten, dass diese Gesellschaft – inzwischen also de facto der britische Staat – ganze hundert Jahre lang über die Nutzung des Kanals bestimmen konnte. Das hieß bis 1968! Nun gut, Zeiten ändern sich natürlich und nach dem Zweiten Weltkrieg zogen sich britische Truppen doch erstmal aus Ägypten zurück, nicht jedoch aus der Kanalzone! Diesen endgültigen britischen Abzug erzwang erst der frischgebackene ägyptische Diktator Gamal Abdel Nasser im Frühjahr 1956.

Ein paar Wochen später verstaatlichte er die Gesellschaft dann einfach und brachte die Suezkrise damit so richtig ins Rollen. Nun fühlte sich Großbritannien nämlich endgültig auf den Schlips getreten. Da sehen wir mal wieder, warum man mit Despoten aus dem Nahen Osten keine Geschäfte macht. Die halten sich wirklich an keine Absprachen. Nebenbei tyrannisieren sie auch die eigene Bevölkerung aber die Sache mit den Absprachen, das ist nun wirklich inakzeptabel!

Und so nahm die Suezkrise ihren Lauf

Diesen Affront konnte sich die selbsternannte Großmacht in London beim besten Willen nicht gefallen lassen. So demonstrierte man also etwas, was Großbritannien im Verlauf des 20. Jahrhunderts noch öfters beweisen sollte: Man war sich nie zu schade für einen kleinen Krieg in einem weitentfernten Land! Was für die Suezkrise galt, galt später für die Falklandinseln, für den Irak… Die Liste geht weiter. Um die Ägypter aber gleich richtig zu ärgern, beschloss man auch noch, anstatt allein gegen Nasser vorzugehen, sich mit Frankreich auf einen Haufen zu werfen. Da waren die beiden alten Betreiber des Suezkanals also wieder gegen Ägypten vereint. Tja, und was planten die zwei so? Richtig: einen kleinen Einmarsch! Um mal so richtig auf den Tisch zu hauen und zu zeigen, dass man mit Großbritannien und Frankreich auch anno 1956 noch zu rechnen hatte. Aja, und Israel holten sie auch noch mit ins Boot. Warum? Naja, warum denn nicht? Wenn man die Ägypter schon ärgert dann doch gleich anständig!

Die drei heckten nun also einen Plan aus, um die (von ihnen ja erst so richtig angefeuerte) Suezkrise zu entschärfen. Israel sollte Ägypten auf der Sinai-Halbinsel attackieren. Darin waren die Israelis ja inzwischen recht gut. Paris und London würden dann Einspruch erheben und sofort einen Waffenstillstand fordern. Nachdem sie Nasser ein unmögliches Ultimatum stellten, würden sie selbst Truppen nach Ägypten schicken und den Sack zumachen. Als Peacekeeper und so. Brillant! Ende Oktober wurde der Plan dann Realität und Israel griff an. Zwei Tage später folgten die ersten Bombardements durch britische und französische Kampfjets und nochmal fünf Tage darauf landeten die ersten britisch-französischen Truppen in Ägypten. Nasser und seine Armee hatten all dem wenig entgegenzusetzen und vor allem die Israelis setzten ihnen auf der Sinai-Halbinsel ordentlich zu. Auch das ist etwas, von dem wir in Zukunft öfter hören werden.

Die Briten und Franzosen profilierten sich in der Suezkrise währenddessen… nun ja… etwas weniger. Ihre Bomber trafen die Ziele so selten, dass es fast nur noch auf den Zufall zurückzuführen war, wenn sie überhaupt etwas erwischten. Britische Bodentruppen wussten teilweise nicht mal, ob Israel nun auf ihrer Seite stand oder auf der gegnerischen! Ich meine, das hätte man sich wirklich selbst erarbeiten können… Letzten Endes war aber auch die Vorbereitung auf den Angriff mehr als mangelhaft. So wollten die Briten etwa Radio Kairo bombardieren, zögerten aber, weil sie im dicht besiedelten Gebiet nicht zu viele Zivilistenleben riskieren wollten. Es dauerte Tage, bis das britische Kommando bemerkte, dass Radio Kairo mitten in der Wüste stand…

Europäische Großmächte? Das ist nun wirklich Geschichte

Das große Problem bei der Sache war aber ohnehin ein anderes. Sowohl die USA als auch die Sowjetunion hatten nämlich ihre Interessen in Ägypten und sahen den Eingriff Großbritanniens und Frankreichs gar nicht gerne. So kam es schon wenige Tage nach dem Angriff zu einer UN-Resolution, die einen Waffenstillstand und den Einsatz von Blauhelmen in Ägypten durchsetzte. Die britisch-französischen Truppen musste aus Ägypten abziehen und durften – als Mitglieder des UN-Sicherheitsrats auch peinlich – sich nicht an den UN-Truppen beteiligen. Das erledigten dann stattdessen Dänemark und Norwegen. So weit war es für das mächtige Großbritannien und Frankreich also gekommen. Jetzt mussten schon die Dänen und Norweger schon hinter ihnen aufräumen.

Für Großbritannien wie Frankreich bedeutete die Suezkrise eine bittere Erkenntnis: Man war schon lange keine Großmacht mehr. Die Vereinigten Staaten waren der Herr im Haus in der westlichen Welt. Und die sahen die Spielereien der Kinder ganz und gar nicht gerne. Präsident Nasser ging aus der Sache währenddessen als großer Sieger hervor und das obwohl er am Feld vollkommen versagt hatte. Seine Truppen wurden von den Israelis auf fast schon peinliche Art aus der Sinai-Halbinsel geschmissen und auch die Franzosen und Briten konnten trotz aller Fehler schnell in das Land vordringen. Aber das war jetzt alles egal. Jetzt war Nasser der große Held, der den üblen Imperialisten aus dem Westen gezeigt hatte, wo ihr Platz war. So langsam verstanden das sogar Großbritannien und Frankreich. Wo war ihr Platz? Nun… weiter unten, als ihnen lieb war.

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