Der Tag der Arbeit am 1. Mai ist ein Feiertag wie kein anderer, auch wenn wir das oft nicht so wahrnehmen. Der Grund dafür ist aber einfach. Während in Deutschland und anderswo so ziemlich jeder Feiertag entweder religiös oder sonst zumindest national (also ja auch quasi-religiös) begründet ist, ist der Tag der Arbeit ein Feiertag einer Klasse. Der Arbeiterklasse! Das scheint uns heute alles ganz normal, ist aber schon ziemlich bemerkenswert. Es gibt ja immerhin auch keinen Festtag des Bürgertums oder Tag des Adels. Da kann man sich dann schon mal fragen: Warum und seit wann feiern wir am ersten Mai denn diesen Tag der Arbeit? Was ist dieser Feiertag überhaupt, was ist sein Ursprung, was die Geschichte dahinter?
Der Tag der Arbeit: eine amerikanische Erfindung
Bei der Frage nach dem Ursprung des Feiertags und seinen historischen Hintergrund fangen die Überraschungen schon an. Der Tag der Arbeit kommt nämlich ausgerechnet aus den USA! Das ist einigermaßen absurd, weil der 1. Mai dort nicht mal ein gesetzlicher Feiertag ist. Wobei: Die Amis haben es ja generell nicht so mit den Feiertagen. Oder Urlaubstagen. Oder einem Recht auf Krankenstand. Wir wollen mal nicht zu viel verlangen … Dennoch waren die Amerikaner die ersten, die dem 1. Mai eine mit Arbeit verbundene Bedeutung gaben. Und das alles ist noch nicht mal so lange her!
Es war im Jahr 1886, dass es in den Vereinigten Staaten zur ersten Maidemo der Geschichte kam. Der Hintergrund von damals sollte auf der ganzen Welt für Jahre noch derselbe bleiben: Die Forderung des Achtstundentages. In den USA wie auch anderswo war es im 19. Jahrhundert noch üblich, zumindest zehn Stunden pro Tag zu arbeiten. Oft auch mehr. Also riefen die Gewerkschaften am 1. Mai 1886 zum Generalstreik auf, um genau das zu ändern. Und der Streik hatte es in sich! Ganze 400.000 Menschen legten an diesem Tag landesweit ihre Arbeit nieder. Dass es ausgerechnet der 1. Mai wurde, hatte übrigens einen ziemlich unspektakulären Grund. Das ist schlicht der Tag, an dem in den USA traditionell neue Arbeitsverträge unterzeichnet wurden. Da wollte man die Acht-Stunden-Arbeitszeit eben gleich unterbringen. Und da sage nochmal jemand, die Linken hätten keinen Sinn für Pragmatismus.
Leider ging es mit dem erst so friedlichen Generalstreik der Gewerkschaften von 1886 aber schnell bergab. Nach zwei Tagen Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen kam es in Chicago zu Ausschreitungen. Letzten Endes warf jemand eine Bombe in Richtung der Polizei, sieben Polizisten und bis zu zwanzig Demonstranten starben. Dieser Zwischenfall ging als „Haymarket Affair“ in die Geschichte ein und verfolgt die Arbeiterbewegung bis heute. Der Achtstundentag wurde damals trotzdem nicht beschlossen. Sauerei… Schon vier Jahre später, im Jahr 1890, war es in den USA dann aber so weit.
Feiertage gibt es im Jahr bekanntlich einige und sie alle erzählen eine Geschichte. Diese Geschichten habe ich in einem eBook zusammengestellt. Es ist für alle Empfänger meines Newsletters direkt kostenlos downloadbar.
Der Ursprung des 1. Mai in Europa und Deutschland
Das wurde dann auch zum magischen Jahr für die Arbeiterbewegung in Europa und Deutschland. Denn 1890 kam der Tag der Arbeit auch in den deutschen Landen richtig in die Gänge. Die europäische Arbeiterbewegung demonstrierte zu der Zeit ebenfalls für den Achtstundentag und entschied sich als Datum wie die Amerikaner für den 1. Mai. Das hatte aber auch in Europa keinen besonderen Hintergrund. Man orientierte sich schlicht und einfach an den Vorreitern in den USA. Auch das ist nichts, was es erst seit den letzten paar Jahrzehnten gibt. Schon zum ersten offiziellen Tag der Arbeit 1890 erschienen in Deutschland gut 100.000 Arbeiter und auch in Österreich, Frankreich und vielen anderen Ländern versammelten sich Tausende auf den Straßen. So gut wie überall mussten sie auf den Achtstundentag aber noch eine ganze Weile warten. Ein Vierteljahrhundert später kam aber zumindest ein bisschen Abwechslung in ihren öden Alltag. Anstatt zehn Stunden in der Fabrik durften die Menschen dann 24 Stunden in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs verbringen. Ist doch auch was.
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich der Achtstundentag dann aber in fast allen europäischen Ländern auf einen Schlag durch. Es war also endlich geschafft! Die Arbeiterschaft hat alle ihre Ziele erreicht. Von denen hören wir sicher nie mehr etwas … Um die neu entdeckte Freude am Proletariat auch nach außen hin zu zeigen, wurde der 1. Mai dann sogar in vielen Ländern als Tag der Arbeit zum offiziellen Feiertag erkoren. In Deutschland fand der dann gleich 1919 zum ersten Mal statt. Dieser Ursprung des Fests war so erfolgreich, dass man es im nächsten Jahr gleich wieder abschaffte. Wozu sollte man auch den Tag der Arbeit feiern? Man hatte doch eh schon alles erreicht.
Arbeit finden nicht nur die Sozis klasse
Aber natürlich hatte die Arbeiterklasse und die Gewerkschaftsbewegung noch lange nicht alles erreicht. Und auch wenn der erste Mai in der Zwischenkriegszeit eben kein gesetzlicher Feiertag war, begingen Sozialdemokraten und Kommunisten den Tag dennoch jedes Jahr mit Kundgebungen. Teilweise waren die sogar richtig mitreißend! Zum Beispiel 1929, als über dreißig Menschen starben… Kurz darauf wurde der 1. Mai dann auch wieder zum gesetzlichen Feiertag, allerdings unter dem Namen „Tag der nationalen Arbeit“. Man darf jetzt drei Mal raten, wer den einführte. Der freundliche Herr Hitler fand die Arbeiterbewegung sogar so toll, dass er nach dem ersten Tag der nationalen Arbeit 1933 dann gleich am 2. Mai die gesamte Gewerkschaftsbewegung einstampfen ließ.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs feierte der Tag der Arbeit aber schnell seine Comeback. In manchen Teilen Deutschlands feierten ehemalige Gewerkschafter und Sozialisten ihn sogar schon 1945 wieder. Zu dem Zeitpunkt hatte die Wehrmacht noch nicht mal kapituliert! In der DDR wurde der 1. Mai später dann überhaupt zum Nationalfeiertag schlechthin hochstilisiert. Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus war der überhaupt nicht sperrige Titel, die sie dafür gefunden haben. Und während die Teilnehmerzahlen an den 1. Mai-Aufmärschen in Westdeutschland bald nach dem Krieg schon wieder zurückgingen, waren die in der DDR stets bis auf den letzten Platz gefüllt. Das könnte zum Teil daran liegen, dass jeder DDR-Bürger schlicht verpflichtet war, beim Aufmarsch zu erscheinen. Die Veranstaltungen waren dann auch immer so richtig schön volksnah. Da saßen die Parteibonzen des Regimes dann auf einer hohen Tribüne und das Volk durfte unten an ihnen vorbeiziehen. Das Leben in der DDR muss doch wirklich ein Traum gewesen sein…
Der Tag der Arbeit als Feiertag heute
Mit der Wende war es dann mit den Feierlichkeiten in der DDR und im Rest des kommunistischen Ostblocks auch vorbei. Jetzt interessiert der Tag der Arbeit endgültig niemanden mehr. Die Feierlichkeiten zum 1. Mai siechen seit den 90ern in ganz Europa vor sich hin. Ein Schicksal, das der Feiertag ja nicht ganz zufällig mit den sozialdemokratischen Parteien Europas selbst teilt. Und wer will es den Leuten auch verübeln? Die Idee einer Arbeiterschaft als Klassenbewusstsein ist im 21. Jahrhundert einfach vollkommen obsolet. Immer weniger Menschen hierzulande arbeiten tatsächlich noch in Fabriken und die, die es tun, haben am 1. Mai auch besseres zu tun, als den freien Tag an irgendeinen Aufmarsch zu verschwenden. Die fahren dann lieber mit ihrer Familie ins Grüne oder gehen grillen oder sowas.
Trotzdem ist der Tag der Arbeit heute ein fest etablierter Feiertag, und das nicht nur in Deutschland und Österreich. In weiten Teilen der Schweiz, in Frankreich bis hin nach Russland und China gehört der erste Mai in die Liste der gesetzlichen Feiertage. In Großbritannien gingen sie sogar noch einen Schritt weiter und machten einfach den ersten Montag im Mai zu einem Feiertag. Sollte der 1. Mai mal blöderweise auf ein Wochenende fallen und so. Aber gut, die Briten sind ja sonst nicht besonders für ihre Anzahl an Feiertagen berühmt. Raus ins Grüne und grillen kann man dort sowieso nicht. Der große Ausreißer der westlichen Welt sind hier wie schon erwähnt die USA. Dort mag die ganze Bewegung zwar vor 130 Jahren ihren Ursprung gehabt haben. Der historische Hintergrund des Tags der Arbeit ist dort zu finden. Aber deshalb den Leuten freizugeben… auf die Idee kam dort nie jemand.
Wenn dich jetzt die Herkunft anderer Feiertage interessiert, habe ich mich auch schon mal mit Weihnachten und Ostern beschäftigt. Wenn du dich wunderst, was wir aus der Geschichte nun lernen sollen, habe ich mir auch dazu ein paar Gedanken gemacht. Und wir hören uns dann nächste Woche wieder im Déjà-vu Podcast. Bis dahin, mach’s gut!
Der Tag der Arbeit heißt in den USA Labor-Day und wird am ersten Montag im September gefeiert. Es handelt sich dabei um ein nationalen Feiertag. Insgesamt gibt es in den USA wenig religiös motivierte Feiertage, dafür zahlreiche nationale Feiertage. Wenn ich das richtig überblicke gibt es in den USA mehr Feiertage als in Deutschland – viele finden per Erlass Richard Nixons sogar auf einen Montag statt, was der Bevölkerung nicht wenige lange Wochenenden beschert.
Der wohl höchste Feiertag, der Independence Day, wird darüber hinaus sehr ausgiebig gefeiert. Ich selbst habe erlebt, dass zwei Tage vor und zwei Tage nach dem 4. Juli frei war.
Tatsächlich, da hast du recht! Aber ein markanter Unterschied zu beispielsweise Deutschland ist doch der, dass es an so gut wie allen Federal Holidays in den USA beim Arbeitgeber bzw. dem Vertrag liegt, ob der Tag arbeitsfrei ist. Damit gibt es in den USA im Durchschnitt natürlich weniger arbeitsfreie Tage. Oder liege ich da falsch?
Dass der Labor Day in den USA in den September gelegt wurde ist auch interessant, wo doch der Grund für den 1. Mai bei uns gerade aus den USA kommt… Weißt du etwas zu den Hintergründen dazu?
Hallo Ralf,
die Hinweis auf den Sozialistenkongress 1889 in Paris wäre hilfreich.
Hier wurde beschlossen, den 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterklasse“ zu begehen.
So war der 1. Mai ein Streiktag.
Der „Tag der Arbeit“, so nannten die deutschen Gewerkschaften in der Weimarer Zeit den Tag, wurde dann am 1.5.1933 von den Nationalsozialisten zum Feiertag gemacht an dem die Arbeiter und die Arbeitgeber gemeinsam feierten.
Daran haben sich auch noch nicht verhaftete Gewerkschaftsfunktionäre beteiligt in der Illusion ihre Organisationen zu retten.
Am Tag darauf wurden dann die Gewerkschaften verboten, die Gewerkschaftshäuser und die Kassen beschlagnahmt, und weitere Gewerkschafter verhaftet.
Von diesen Geldern wurde übrigens die Volkswagen AG in Wolfsburg aufgebaut.
Daher die Beteiligung des Landes Niedersachsens am VW-Konzern.
Hallo Martin!
stimmt tatsächlich. Ich bin da auch darüber gestolpert in der Recherche, hab den Hinweis dann aber fallen gelassen. Das mit VW ist mir aber komplett neu! Kam das Geld wirklich ausschließlich aus den Gewerkschaften?
sehr gut
Danke!