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Die komplizierte Geschichte der Siebenbürger Sachsen

Die Siebenbürger Sachsen und Sächsinnen sind vielen Menschen in Deutschland ein Begriff. Insbesondere im Süden Deutschlands gibt es schließlich kaum einen Ort – egal wie klein er auch sein mag – der nicht etwa mit einer siebenbürgisch-sächsischen Tanzgruppe aufwarten kann. Gefühlt zumindest. Aber wie der Name vermuten lässt, waren diese Menschen nicht immer in Süddeutschland. Sie kommen aus Siebenbürgen im heutigen Rumänien und dort sieht die Sache inzwischen ziemlich anders aus. Von den einst hunderttausenden Sachsen und Sächsinnen ist hier kaum noch etwas übrig geblieben. Nur noch ein paar Tausend von ihnen dürften heute in Rumänien leben. Grund genug, sich der Geschichte dieser ältesten deutschsprachigen Volksgruppe in Osteuropa näher zu widmen.

Woher kamen die Siebenbürger Sachsen?

Die älteste deutschsprachige Volksgruppe in Osteuropa also? Wie konnte denn so etwas zustandekommen? Nun … Versuchen wir uns an einem kurzen historischen Überblick. Denn erstmal war die Ansiedlung der späteren Siebenbürger Sachsen und Sächsinnen im Karpatenraum gar nicht übermäßig ungewöhnlich. Sie fand im Mittelalter als Teil eines viel größeren Prozesses statt, den man lange als „Deutsche Ostsiedlung“ bezeichnet hat (heute bevorzugt die Wissenschaft politisch ungefährlichere, dafür aber einschläfernd langweilige Begriffe wie „Hochmittelalterlicher Landesausbau“ oder gar „Germania Slavica“…). Wie man es nennen mag: Dabei handelte es sich um Migrationsbewegungen aus dem deutschsprachigen Raum in Richtung Osten, sowohl entlang der Ostsee wie auch weiter südlich. Grund dafür war vor allem ein enormer Bevölkerungszuwachs im Westen Europas, gepaart mit dem Aufbau lokaler Herrschaften in Osteuropa, deren Fürsten nun Siedler zur Urbarmachung und Verteidigung suchten.

Im Fall jener Gruppen, die später als Siebenbürger Sachsen zusammengefasst wurden, ging dieser Prozess ganz konkret von König Géza II. von Ungarn aus, der Mitte des 12. Jahrhunderts Siedler:innen für das von ihm beherrschte (aber nicht sonderlich gesicherte) Gebiet Siebenbürgen suchte. Wie es damals üblich war, fanden sich schon bald sogenannte „Lokatoren“, die sich weiter westlich nach passenden Siedlern für ihn umsahen und sie gegen Bezahlung ins Land brachten. Im Beispiel der Siedler Siebenbürgens kamen diese anfangs wohl vor allem aus dem äußersten Westen des heutigen Deutschlands, aus Luxemburg, Belgien und vielleicht auch den Niederlanden. Im Jahr 1147 sind die ersten dieser Siedlergruppen in Siebenbürgen belegt. Viel mehr als 3.000 dürften es aber erstmal nicht gewesen sein.

Die Siebenbürger Sachsen als Gruppe

Allzu viel gemeinsam hatten diesen ersten Siedler auch nicht. Sie sprachen nicht dieselbe Sprache oder auch Dialekt des Deutschen (es dürften sogar ein paar Wallonisch-Sprecher mit dabei gewesen sein) und hatten auch noch lange keinen gemeinsamen Namen. Erst mit der Zeit setzte sich das „Sächsisch“ als Fremdbezeichnung durch die lokale ungarische Bevölkerung und den Adel durch. Mit Sachsen hatten diese Leute zwar beim besten Willen nichts zu tun, aber das wusste offensichtlich niemand. So weit entfernt von Deutschland war es aber auch schlicht egal. Mit der Zeit übernahmen die deutschsprachigen Siedler:innen den Namen dann auch selbst und wurden somit zu den Siebenbürger Sachsen.

Eine Gemeinsamkeit zeichnete die Siedler:innen aber schon von frühester Zeit an aus. Sie genossen besondere Rechte innerhalb des ungarischen Königreiches, die ihnen für die Ansiedlung und auch danach noch geboten worden waren. Ab dem 13. Jahrhundert wurden diese durch den ungarischen König dann auch schriftlich kodifiziert. So durften die Siebenbürger Sachsen und Sächsinnen etwa frei über Gewässer und Wälder in ihren Gebieten verfügen, genossen Zollfreiheit und eine eigene Gerichtsbarkeit. Trotz einiger unangenehmer Unterbrechungen in der Frühzeit (etwa Einfälle der Mongolen … immer diese Steppenvölker) entwickelte sich die Gemeinschaft rasant und es entstanden in vielen Teilen Siebenbürgens sächsische Dörfer und sogar Städte wie das spätere Zentrum Hermannstadt – heute Sibiu.

Die darauf folgende Phase der Geschichte sollte für die Siebenbürger Sachsen jedoch die prägendste werden. Ab dem 15. Jahrhundert trafen nämlich neue Feinde in der Region ein. Einfälle durch Osmanen häuften sich und die würden die nächsten dreihundert Jahre lang auch nicht mehr aufhören. Die Spuren sind in Siebenbürgen heute noch überall zu sehen.

Kirchenburgen, Reformation und Nationsuniversität

Es war nämlich in jener Zeit, dass die wohl imposantesten Bauwerke der Siebenbürger Sachsen entstanden: Die Kirchenburgen. Um die Dörfer gegen Einfälle osmanischer Trupps zu verteidigen, wurden nämlich kurzerhand Kirchen in Festungen verwandelt. Gegen größere Heere brachte das zwar kaum etwas, aber doch boten die Kirchenburgen einen gewissen Schutz für die nächsten turbulenten Jahrhunderte, in denen Ungarn durch die Osmanen aufgeteilt und Siebenbürgen zum Vasallenstaat wurde. Die Gruppe der Siebenbürger Sachsen und Sächsinnen veränderte sich in der Zeit aber auch politisch und kulturell. Mitte des 16. Jahrhunderts kam die Reformation nach deutschem Vorbild nach Siebenbürgen (ein Zeichen für die regen Kontakte sächsischer Händler und Gelehrter mit dem Westen) und die Siebenbürger Sachsen wurden nun auch institutionell zu einer der drei bestimmenden Gruppen Siebenbürgens, denen im Rahmen der sogenannten „Nationsuniversität“ politische Rechte zugestanden wurden. Die anderen beiden waren der ungarische Adel und die Szekler, eine ungarischsprechende Gruppe im Osten Siebenbürgens.

Aber wie in so vielen multikulturellen Räumen wurde es auch in Siebenbürgen mit den folgenden Jahrhunderten nicht gerade unkomplizierter. Nach der osmanischen Niederlage vor Wien 1683 kam Ungarn erstmal samt Siebenbürgen unter die Kontrolle der Habsburger. Insbesondere nach dem „Ausgleich“, der 1867 die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn erschuf, sahen sich Siebenbürger Sachsen und Sächsinnen (wie auch alle anderen Bewohner:innen Ungarns, die es wagten, eine vokalarme Sprache zu sprechen) mit einer forcierten Magyarisierung konfrontiert – sie sollten kulturell ungarisch gemacht werden. Auch deshalb stimmten die Siebenbürger Sachsen nach Ende des Ersten Weltkriegs für einen Anschluss Siebenbürgens an Rumänien. Doch auch das würde nicht allzu lange gut gehen …

Warum sind die Siebenbürger Sachsen ausgewandert?

Bereits in der Zwischenkriegszeit wurde die Lage für die Siebenbürger Sachsen und Sächsinnen in Rumänien ungemütlicher, was nach dem Zweiten Weltkrieg einen traurigen Höhepunkt erreichte (ein Krieg, in dem auch viele Siebenbürger Sachsen freiwillig in Wehrmacht und SS eingetreten waren). Es folgten nach Kriegsende Deportationen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion und schließlich die Gewaltherrschaft Nicolae Ceauşescus in Rumänien. Diese gesamte Zeit über wanderten Siebenbürger Sachsen schon in Richtung BRD aus, wofür Deutschland dem rumänischen Staat sogar Geld zahlte. Und wer bis Ende der Achtziger nicht gegangen war, überlegte es sich spätestens nach Ende des Kommunismus nochmal. Es kam endgültig zum Exodus, sodass von den einst mehreren Hunderttausend heute nur noch wenige Sächsinnen und Sachsen übrig sind.

In Deutschland sind die Siebenbürger Sachsen und ihre Vereine heute deutlich sichtbarer als in Siebenbürgen. Jedes Jahr ziehen Zigtausende zum jährlichen Sachsentreffen in das fränkische Dinkelsbühl. Nur im Sommer ist die sächsische Vergangenheit auch in Orten wie Hermannstadt noch spürbar. Da kommen die sogenannten „Sommersachsen“ und bevölkern die Straßen und Plätze der Stadt. Es ist auch immer wieder von Rückzug nach Rumänien die Rede, aber ob das jemals in nennenswerten Ausmaß geschieht, steht in den Sternen. Bis dahin kann man in Siebenbürgen immer noch die Kirchenburgen und alten sächsischen Städte bewundern. Die Rumänen und Rumäninnen passen auf sie auf.


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13 Gedanken zu „Die komplizierte Geschichte der Siebenbürger Sachsen“

  1. Liebe Landsleute und – leutinnen (😒), etwas weniger Genderisierung haette dem Artikel gutgetan. Landsmann als generisches Maskulinum ist ausreichend, bitte verhunzt die deutsche Sprache nicht im Namen der Gender-Ideologie. Es ist einfach zu viel…

  2. Lieber Ralf,
    Danke und großes Kompliment für diese Folge. Als Sprössling eines Banater Schwaben und einer Ostpreußin, hatte ich das Glück und Privileg in der Bundesrepublik auf die Welt zu kommen und dort aufzuwachsen. In unserer Familie gab es folglich viele Heimaten. Die Heimat der Großeltern lag ohne jeden Zweifel im Banat bzw. in Ostpreußen. Sie waren in der Landsmannschaft organisiert und emotional dort fest verankert. Die Eltern (noch im Banat, bzw.. in Ostpreußen geboren und aufgewachsen) hatten Ihre Heimat im jeweiligen Geburtsland, aber das Zuhause war Deutschland. Wir Kinder hatten immer schon Heimat und Zuhause in Deutschland. Mit umso mehr Unverständnis habe ich deshalb noch in den 70er und 80er Jahren die Bezeichnung „Rucksackdeutscher“ in der Schule für mich erfahren. Das war relativ harmlos und gut zu verdauen. Die Anfeindungen, die meine Großeltern und Eltern erfahren haben, waren völlig anders. Wann man Fremder ist, definieren also immer andere; und die Definiton ist ebenso willkürlich wie dynamisch. Erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter und durch Reisen nach Rumänien und Polen, habe ich begonnen, die Bedeutung des Begriffes Heimat für meine Großeltern, Eltern und auch für mich zu verstehen. Auch die Unterschiede zwischen „Heimat“ und „Zuhause“ wurde mir klar. Kurzum, ich kann nunmehr sehr gut verstehen, dass sich Vertriebene in Verbänden und Landsmannschaften organisiert haben. Die Bindung zur Heimat ist einfach zu stark und verwischt wohl erst nach mehreren Generationen. Allerdings habe ich auch verstanden und zu oft beobachtet, dass sich diese Heimatverbundenheit auch für Revanchismus und Chauvinismus missbrauchen lässt. Kurzum, der Begriff Heimat ist zu wichtig und wirkmächtig, als dass man die Deutungshoheit den Populisten von rechten Rand überlassen kann. Die Vernünftigen, Empathischen und Aufgeklärten haben die Verantwortung für den verantwortungsvollen Umgang mit „Heimat“. Dies gilt für Vertriebene, Geflüchtete und Gestrandete überall auf der Welt und zu jeder Zeit.
    Beiträge zur Geschichte von Migration, Vertreibung und Flucht sind enorm wichtig. Deine Podcasts sind hierzu ein wertvoller Beitrag.
    P.S. Wenn Du mal Zeit hast, einen Beitrag zu den Donauschwaben zu präsentieren, würde ich mich sehr freuen. Wenn es ihn schon gab, lass mich die Folge wissen.
    Weiterhin frohes Schaffen und bewahr Dir die Leidenschaft für Deine Themen.

    1. Vielen Dank für deinen Kommentar! Die Unterscheidung „Heimat“ und „Zuhause“ finde ich sehr interessant und kann da in der Kommunikation vielleicht wirklich einiges erleichtern. Diese Begriffe werden sonst ja eher wild durch die Gegend geworfen. Und ich verstehe den Wunsch der Organisation in Verbänden etc. auch. Es muss auch schwierig gewesen sein, weil man als „Auslandsdeutsche“ ja da wie dort als irgendwie fremd galt. Und ein inneres Gefühl der – wenn ich auch das Wort nicht mag – „Heimatlosigkeit“ ist sicher eine schwere Last für viele gewesen.

  3. Hallo Ralph,
    ich kann dieses Thema so gar nicht nachvollziehen. Jemand der in der BRD 50 Jahre nach dem WWII geboren wurde, sieht irgendwelche Ostgebiete als Heimat? Okay, meine Vorfahren kamen irgendwann auch aus dem afrikanischen Grabenbruch, aber deshalb ist das nicht meine Heimat. Irgendwann ist gut. Oder: Mein Vater kam aus Oberbayern, deshalb bin ich kein Bayer, würde in diesem Leben nie auf die Idee kommen.
    Sollten die Leute sich mal um reale Probleme kümmern.

  4. Wunderbarer Beitrag, Ralf. Allerdings ist die Unterscheidung nicht in Dagebliebene und Rückkehrer, sondern Zurückgebliebene und Heruntergekommene 😉

    Ansonsten noch eine kleine Anmerkung: Laut einem Abkommen zwischen Wehrmacht und Waffen-SS durften die Sachsen ausschließlich in die Waffen-SS eintreten. So schreibt es zumindest Paul Milata in „Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu – Rumäniendeutsche in der Waffen-SS“ (S.7.).

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